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251 - Der Taratzenkönig

251 - Der Taratzenkönig

Titel: 251 - Der Taratzenkönig
Autoren: Christian Schwarz
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Lederkappen und Pelze und hielten ihre Armbrüste zum Schuss bereit. Die Distanz zwischen Traysi und ihnen schrumpfte beständig. Nur noch fünfzig Meter, fünfundvierzig…
    Der Ältere lachte laut. »Da liegtse, de Witchaa. Hamma se doch noch kwiege.«
    Traysi kannte die hohe Stimme. Sie gehörte Littlelord Sülvesta.
    »Jetz könnma se abmuakse, de veadammte Witchaa! Hätt nicht geglaubt, dassma se vawunden kann.«
    Traysi durchfuhr es siedend heiß. Rod!
    Die Lords glitten auf Schneeschuhen nun schnell näher.
    »Voasich!«, brüllte Sülvesta, der etwas voraus ging, plötzlich schrill. Gleichzeitig warf er sich zurück. Nun setzte auch bei Rod die Gefahrsicht ein. Auch er brüllte.
    Unter ihnen brach der Boden weg! Sie schafften es nicht mehr, aus der Gefahrenzone zu kommen. In einer Lawine von Schnee und einigen schmalen Baumstämmen rutschten sie in ein Erdloch, überschlugen sich, verloren die Waffen.
    Die Netaratze löste sich von dem Baumstamm, an den sie sich die ganze Zeit gedrückt hatte. Fiepend sprang sie durch den Schnee und in das Loch, fiel über Rod her und biss ihm die Kehle durch. Sülvesta, der sich gerade aus dem Schnee kämpfte, schlug nach der Bestie, traf ihre bluttriefenden Zähne.
    Das störte die Netaratze wenig. Sie warf sich mit vollem Körpergewicht auf den Lord, der in seinen Bewegungen noch immer eingeschränkt war, und zog ihm die Krallen beider Pranken quer durchs Gesicht und durch die Augen.
    Traysi stand inzwischen am Grubenrand, wischte sich das Wakudablut aus dem Gesicht und beobachtete das Geschehen ohne jede Emotion. Als es vorbei war, sprang sie in die Grube und schlug Rod mit ihrem Schwert den Kopf ab, während die Netaratze anfing, den toten Leib Sülvestas auszuweiden. Traysi wandte sich schaudernd ab, denn sie kannte die Schlachtfeste der Netaratze zur Genüge.
    Es war bereits ihr zweiter Winter in den Wäldern. Und der sechste Jagdtrupp aus ihrer ehemaligen Sippe, den die Netaratze und sie in Fallen gelockt und getötet hatten. Sie betrachtete das als Rache an Grandlord Will und der ganzen Sippe, aber es brachte ihr nur kurzzeitige Befriedigung. Ein wirkliches Ziel hatte sie nach wie vor nicht. Sie lebte mit der Netaratze in den Tag hinein, sehnte sich nach menschlicher Gesellschaft, schaffte es aber nicht, sich einem anderen Stamm anzuschließen.
     
    Der Sommer neigte sich bereits seinem Ende zu, als sich Traysi wieder einmal bei der Severn Bridge herumtrieb. Die hatte sich einst nördlich von Bristol schlank und elegant über den Severn-Fluss gespannt, bestand heute aber nur noch aus einigen Fragmenten. Nicht weit entfernt fischte die Netaratze.
    Traysi, die an einen Brückenpfeiler gelehnt da saß und über den Fluss schaute, die blitzenden Sonnenreflexe auf dem Wasser zählte und dabei immer schläfriger wurde, schreckte plötzlich auf. Von flussaufwärts näherte sich eine Gestalt.
    Ein Mann. Ein Hüne!
    »Däd?«
    Traysi spürte, wie ein eisiger Schauder sie erfasste. Nein, es war nicht ihr Däd, auch wenn sie einen Moment die verzweifelte Hoffnung gehegt hatte. Er war nicht zurückgekehrt aus Wudans Reich, um nach ihr zu sehen, ihr endlich den richtigen Weg zu weisen.
    Ihre Geistfühler griffen nach den Gedanken des Mannes. Erregt registrierte sie, dass er nicht von hier war. Ein Fremder, von weit her! Er kannte sie garantiert nicht und würde so auch keine Angst vor ihr haben.
    Traysi erhob sich und starrte dem Wanderer entgegen. Er kam so hünenhaft daher wie ihr Vater, und genauso grauhaarig, mit Zöpfen, die ihm bis auf die Brust fielen und einem verfilzten Bart, der bis zum Bauchnabel reichte. Trotz der Hitze trug er einen knöchellangen Mantel aus Wildleder, darunter ein schwarzes Lederhemd und schwarze, seitlich geschnürte Lederhosen. Zwei Schwerter baumelten an seiner Seite, im Gürtel steckten fünf oder sechs Messer.
    Er verharrte misstrauisch, als er sie bei der Brücke stehen sah, kam dann aber näher. Ungeniert betrachtete er sie. »Was bistn du füa 'ne Woom?«, fragte er mit tiefer Stimme und grinste. »Siehst vafluchgut aus.«
    Sie machten sich bekannt. Als Traysi erfuhr, dass es sich bei dem Fremden um einen Grandlord handelte, übersprang ihr Herz vor Freude einen Schlag. »Bist also auf Bußreise, Grandlord Paacival. Was haste denn angestellt, dass der Druud dich weggeschickt hat?«
    Er grinste. »Hab zu viele Wooms bespwungen. Un hab zu Wudan gebetet statt zum Oaguudoo, was mia de Dwuud übel genommen hat. Also hatta gesagt, ich muss weg
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