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251 - Der Taratzenkönig

251 - Der Taratzenkönig

Titel: 251 - Der Taratzenkönig
Autoren: Christian Schwarz
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nicht nötig. Trotz der voluminösen weißen Perücke auf Lady Warringtons kantigem Schädel hatte er ganz gute Sicht über ihre schmalen Schultern hinweg.
    Sie drehte sich um. Unverhohlener Spott blitzte in ihren Augen. »Wenn ich Sie nicht hätte, Mars. Ich dachte nämlich schon, der verdammte Bastard Leonard wühlt sich aus dem Boden, um uns seinen Sohn wieder abzunehmen.«
    »Wenn er tatsächlich hier auftaucht, dann drehe ich ihm höchstpersönlich den dürren Hals um, Lady. Daran werden selbst Sie mich nicht hindern können. Wer die eigenen Leute kalt macht, hat nichts Besseres verdient.« Hawkins grinste und ballte in schierer Vorfreude ein paar Mal die Fäuste. Dann schaute er über seine Schulter zurück.
    Im hinteren Drittel des fast leeren Raums stand eine Liege, auf der ein weißblonder Mann lag, mit seitlich am Körper festgezurrten Armen und ohne Bewusstsein. Er sah aus wie einer der verfluchten barbarischen Socks , von denen leider immer noch viel zu viele das schöne Britana unsicher machten. Barbarenblut hatte Rulfan von Salisbury aber nur zur Hälfte in sich. Denn sein Vater war Sir Leonard Gabriel, einst Prime der Community Salisbury und in dieser Zeit ein hoch geachteter Mann, nun aber angeblich ein Despot, der einige der ihren ermordet hatte - und damit Feind Nummer eins der »Demokraten« war, wie sich das Häuflein Technos um Lady Warrington nannte.
    Bei Rulfans Anblick schweiften Hawkins' Gedanken unwillkürlich in die nahe Vergangenheit zurück. Ein wohlmeinendes Schicksal hatte den Demokraten vor einigen Tagen unverhofft Gabriels Sohn in die Hände gespielt. Nun besaß Rulfan den Status einer Geisel, die Commander Drax und seiner Barbarenschlampe Aruula Beine machen sollte. Sie waren bereits auf dem Weg zur Kanalinsel Guernsey, um Gabriel zu suchen, gefangen zu nehmen und hierher nach London zu bringen. Schafften sie es nicht innerhalb von hundert Tagen, würde die Warrington den Barbarenbastard hinrichten lassen. Hawkins hoffte, dass er das übernehmen konnte, da ihm ja in diesem Fall die Exekution des Faschisten Gabriel vorenthalten wurde.
    Damit endete sein kleiner Ausflug ins Gestern auch schon wieder. Denn Lady Warrington drehte sich um und zupfte das weite weiße Kleid zurecht. Es wirkte wie ein unförmiger Kartoffelsack und diente dazu, ihre Fettleibigkeit zu kaschieren. Dass es sie auf andere Weise entstellte, entging ihr dabei völlig. »Das ist jetzt der vierte Mol in fünf Tagen, der so nahe am Headquarter auftaucht. Hm. Ich weiß nicht, ob ich mir nicht so langsam Sorgen machen sollte. Was meinen Sie, Mars?«
    Hawkins strich seine schulterlangen rötlichen Locken zurecht und holte sich dann mit einer schnellen Bewegung etwas Schmalz aus dem Ohr, das er provozierend auffällig an seiner Hose abwischte. »Ich hab mir auch schon Gedanken darüber gemacht, Lady. Es sieht so aus, als sei hier eine ganze Gruppe Mols aktiv, die ausgerechnet unter unserem HQ eines ihrer Gangsysteme buddelt. Schätze, wir müssen höllisch aufpassen, so nahe, wie sie bereits sind. Sonst bricht uns plötzlich der Boden unter dem Hintern weg. Wenn wir nicht schnellstens etwas unternehmen, enden wir noch als Molfutter. Das muss ich nicht haben.«
    »Ich auch nicht.«
    Vielleicht bekommen sie dich ja zuerst, altes Schrapnell. Dann haben sie so viel zu fressen, dass sie uns andere garantiert in Ruhe lassen. Und ich könnte die Demokraten ohnehin viel besser führen als du… Hawkins konnte nur mit Mühe ein neuerliches Grinsen unterdrücken.
    »Lassen Sie das Biest beseitigen, Mars. Und besprechen Sie mit Merylbone, was wir gegen die drohende Gefahr unternehmen können. Informieren Sie mich dann über Ihre Vorschläge.«
    »Natürlich, Lady.« Hawkins verschwand aus dem Zimmer.
    Josephine Warrington drehte sich zum Fenster zurück und sah erneut hinaus. Sie machte kein Licht, weil sie den Anblick noch ein wenig genießen wollte. Der Himmel wurde jetzt von einem leuchtenden Rot überzogen. Die beschienenen Wolken zogen auch über das Northolt Airfield und boten so der immer schneller hereinbrechenden Finsternis noch ein wenig Paroli.
    Rechterhand präsentierten sich dreistöckig die lang gezogenen, einstigen Kasernengebäude aus rotem Ziegelstein als schwarzgrauer Schattenriss. Davor stand der EWAT. Soeben ging die Innenbeleuchtung an. Durch zwei gebogene Öffnungen des ausgefahrenen Geschützturms im zweiten Segment drang das Licht ins Freie. Plötzlich konnte sie verstehen, dass der zwanzig Meter lange,
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