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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II
Autoren: Karl May
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ähnlich scheint, hat mich nicht so tief ergriffen, wie mich die jetzige Zeit berührt. Und weißt du, was das sonderbarste hierbei ist?“
    „Nun? Was?“
    „Daß ich dem Dschirbani vollständig vertraue. Früher hätten alle Fäden in deiner und meiner Hand vereinigt sein müssen. Wenn nicht, so hätte ich von der ganzen Sache nichts wissen mögen. Und heute ist es ganz anders. Ich trete mit Vergnügen zurück. Ich gönne dem Dschirbani die Kraft und den Mut, seinen eigenen, großen, gefährlichen Weg zu gehen. Es ist mir ganz recht, daß wir nicht an der Spitze stehen. Wir wollen hinter ihm bleiben, ihn schützen, ihm helfen. Und so freue ich mich darüber, daß er jetzt beginnt, selbständig aufzutreten. Wie höflich er während des Essens mit dem Scheik war, und wie rücksichtsvoll gegen dessen Frau! Und doch wie energisch schob er jeden Versuch zurück, ihm Verhaltensmaßregeln vorzuschreiben! Er sagte, es gebe hier nur einen einzigen Kommandanten, und der sei er. Der Scheik sei verpflichtet, für das Heer zu sorgen. Das nehme alle seine Kraft und Zeit so sehr in Anspruch, daß er sich ganz unmöglich auch noch um die Taktik und Strategie bekümmern könne. Und die Frau des Scheiks gab unserem Schützling recht! Er beginnt, sich zu fühlen und sich zu entwickeln!“
    Es war still um uns her, als wir uns niederlegten, und es blieb auch ferner still. Wir schliefen, wie bereits gesagt, an derselben Stelle; aber heut erklang das ‚Gebet von Dschinnistan‘ nicht von der Höhe des Felsentores herab. Waren Vater und Tochter nicht oben? Oder schwiegen sie, weil ein Posten der Hukara hier in der Nähe lagerte? Übrigens verhielten sich diese Leute außerordentlich ruhig. Sie störten uns nicht. So schliefen wir ganz prächtig, von meinen Hunden bewacht, die in der ganzen Zeit, auch während des Essens, nicht von unserer Seite gekommen waren.
    Wir erwachten erst bei Tagesanbruch. Es war ein wichtiger Tag, der schon gleich früh durch sein ungewöhnliches Aussehen zeigte, daß er sich nichts übliches, sondern ganz Absonderliches vorgenommen hatte.
    Wir befanden uns zwischen engen, steil anstrebenden Felsen und hatten infolgedessen einen kleinen, sehr schmalen Horizont. Aber so unbedeutend das Stück Himmel war, das wir über uns sahen oder vielmehr gar nicht sahen, es war doch groß genug, uns zu zeigen, daß der Dschirbani mit seiner Voraussage, es gebe heute Sturm, recht gehabt hatte. Als wir vom Schlaf erwachten, hörten wir ein Brausen wie von den allermeisten Orgelstimmen, durch welches von Zeit zu Zeit das hohe, spitze, schrille Pfeifen einer Klarinette fährt. Und dieses Pfeifen und Brausen hörte nicht auf; es dauerte fort. Wenn es ja einmal für einige Augenblick schwächer wurde, so stieg es dann um so höher zur vollsten Stärke auf. Für uns wurde es durch die Felsen gemildert, die uns wie mächtige Wände beschützten und das Toben des Sturmes nicht direkt an unser Ohr gelangen ließen. Der Himmel hing, wie man sich auszudrücken pflegt, fast bis zur Erde herab. Er bestand nur aus dunklen, schweren Wolken, die aber keine kompakte Masse bildeten, sondern wie zerfetzte und zerrissene Teppiche, Tücher und Schleier quer über die Landenge dahingejagt wurden. Ich sage quer; denn der Sturm kam aus Ost und traf den Engpaß also in seiner ganzen Länge. Er wühlte die Wasser des Meeres auf, hob sie hoch empor und zwang sie, an den Felsen hinaufzuklettern und jene Risse, Rinnen und Rillen zu finden, die bereits erwähnt worden sind. Aus diesen ergoß sich die Flut dann zu uns herein in das alte Flußbett. Sie stürzte, so weit wir sehen konnten, wie in zahlreichen Sturzbächen nieder, die nicht kontinuierlich, sondern stoßweise arbeiteten, ganz den Stößen des Orkans gemäß, die von Pause zu Pause erfolgten. Die Menge des Seewassers, die in dieser Weise draußen empor-, und dann zu uns hereingetrieben wurde, war sehr bedeutend. Sie hatte bis jetzt schon den ganzen Grund des Flusses ausgefüllt und stieg immer höher und höher. Hierzu kam, daß die Nordwinde den Sand der Wüste jahrhundertelang wie durch ein Blasrohr über die ganze Länge des Engpasses gepustet hatten. Auf der anderen Seite, also im Süden, hatte er sich angesetzt. Hierdurch war das Gefälle des Flußbetts so verringert worden, daß es fast gar keines mehr gab. Das Wasser stand; es floß nicht ab, wenigstens jetzt noch nicht. Vielleicht konnte es später, wenn es höher gestiegen war, ins Fließen kommen. Es stand jetzt schon mehrere Fuß
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