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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II
Autoren: Karl May
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seine südliche Hälfte gehört euch, die nördliche aber uns. Wir befinden uns jetzt auf der nördlichen, also auf unserem eigenen Gebiet. Wie könnt ihr es wagen, uns da gefangennehmen zu wollen?“
    „Weil ihr nach der Landenge kommt, um sie zu überschreiten und uns zu überfallen!“
    „Kennst du mich?“
    „Ja. Und ich will ebenso aufrichtig sein wie du, indem ich dir sage, daß ich dich achte. Aber wir haben deinen Bruder ergriffen, als er bei uns spionierte, und wir wissen alles. Du wirst sehr bald erkennen, daß ich weder dein Feind noch derjenige deines Stammes bin, doch jetzt muß ich mich für einstweilen deiner Person versichern.“
    „Mit welchem Recht gerade du?“
    „Ich bin der Anführer der Ussul!“
    „Du? Du? Der Anführer der Ussul?“ fragte der Prinz erstaunt. „Seit wann haben die Ussul begonnen, klug und einsichtsvoll zu werden?“
    Da trat Irahd an ihn heran und antwortete anstelle des Dschirbani:
    „Seit sie sich entschlossen haben, die Verteidigung in den Angriff zu verwandeln. Du bist Sadik, der erstgeborene Prinz der Tschoban, und ich bin Irahd, der Unteranführer der Ussul. Es wird dir nichts geschehen. Du sollst nur für heute gefangen sein. Komm, wehre dich nicht!“
    Der Prinz wurde mit seinen Begleitern von den riesigen Ussul derart zusammengedrängt, daß er sich abführen lassen mußte, ohne den geringsten Widerstand leisten zu können. Nachdem hierauf die nötigen Weisungen für die Nacht erteilt worden waren, ritten wir wieder den ganzen Engpaß entlang dem Lager zu. Dort war für den Scheik ein Zelt errichtet, vor dem das Abendessen auf uns wartete. Bewirtet wurden wir von ihm und seiner Frau. Geladen waren Abd el Fadl, Merhameh, der Dschirbani, mein Hadschi Halef und ich. Der Dschirbani hatte geglaubt, daß ich Abd el Fadl kenne. Erst während dieses Ritts zum Abendessen erriet er aus einer Äußerung von mir, daß dies nicht der Fall sei. Da fragte er mich:
    „Wann hast du Abd el Fadl zum ersten Mal gesehen?“
    „Erst vor einigen Tagen, hier“, antwortete ich.
    „Weißt du, wer er eigentlich ist?“
    „Nein.“
    „So erfahre und erstaune: er ist der Fürst von Halihm. An Reichtum kommt ihm keiner gleich im ganzen Ardistan. Und doch siehst du ihn einfacher und bescheidener, als mancher Bettler ist. Er hat ein Gelübde getan; welcher Art es ist, das weiß man nicht genau, weil er niemals davon spricht. Es ist das ein Geheimnis, das er nur mit Merhameh, seiner Lieblingstochter, teilt.“
    „So ist sie nicht sein einziges Kind?“
    „Nein. Er hat noch Söhne und Töchter, die hoch am Thron wohnen. Nimmt er sich unser an, so ist uns viel geholfen!“
    Das heutige Nachtmahl war dadurch ausgezeichnet, daß der Simmsemm vollständig fehlte. Es gab nur Wasser zu trinken. Die Einladung kam aus dem Herzen, hatte aber auch noch den besonderen Zweck, uns die Befreiung der beiden Söhne des Scheiks an das Herz zu legen. Der letztere war mit dem festen Entschluß gekommen, an unserem Zug nun persönlich teilzunehmen, um den Mir von Ardistan zur Herausgabe der Gefangenen zu zwingen. Es kostete uns viele Mühe, ihn davon abzubringen, indem wir ihn zu der Überzeugung brachten, daß er uns viel eher hinderlich als förderlich sein werde. Seine brave, einsichtsvolle Frau ging uns hierbei recht wacker an die Hand. Sie war nur mitgekommen, um ihn von der Ausführung dieser seiner Absicht abzuhalten. Sie liebte ihre Söhne nicht weniger als er; aber sie wußte, daß er seinem ganzen Wesen nach weiter gar nichts als nur Ussul war und jenseits der Grenzen seines Landes und seiner persönlichen Verhältnisse auf Gehorsam und Erfolg verzichten müsse. Ich fühlte mich außerordentlich befriedigt, als es uns mit dieser ihrer Hilfe gelungen war, seinen Plan zurückzuweisen und ihn zur Heimkehr zu bewegen. Freilich sollte diese Heimkehr nicht eher angetreten werden, als bis der Sieg hier an dem Engpaß endgültig entschieden sei; das machte er zur Bedingung.
    Eine wirkliche Freude war es mir, zu sehen, daß der Scheik sich schon heut, nach so wenigen Tagen, zum Dschirbani ganz anders verhielt als bisher. Nun, wo nicht mehr die Materie, sondern der Geist zu gebieten hatte, ließ sie sich allmählich herbei, seine Rechte anzuerkennen.
    Von Abd el Fadl und seiner Tochter sei heute nicht besonders gesprochen. Wir standen vor großen, hochbedeutenden Ereignissen, die sich auf dem Engpaß, und zwar genau auf der Mitte desselben, vollziehen sollten. Es ist also gar wohl am Platz, heut, am
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