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2482 - Der ewige Kerker

Titel: 2482 - Der ewige Kerker
Autoren: Unbekannt
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Magen knurrte. Ihr Mund war so trocken, dass sie ernsthaft erwog, mit der Hand Wasser aus dem Aquarium zu schöpfen.
    Wut stieg in ihr hoch. Wen oder was immer die Skulptur mit dem fetten, nackten, entrückt schmunzelnden, schwarzhäutigen Zwerg verkörpern sollte: Das Arrangement log.
    Sie rannte hin, holte zum Schlag aus, besann sich im letzten Augenblick.
    Konnte es so einfach sein?
    Eine Sanduhr musste man umdrehen, wenn die Zeit, die sie maß, abgelaufen war. Oder wenn ein neuer Zyklus beginnen sollte ...
    Vorsichtig ergriff sie das Stundenglas. Es ließ sich leicht aus den Händen des dreiäugigen Zwerges lösen. Sie schwenkte es, setzte es umgekehrt wieder ein, trat einen Schritt zurück.
    Wieder floss der Sand nach unten.
    Zuerst dachte sie, alles sei gleich wie vorher.
    Aber dann verdickte sich, kaum merklich, der würfelförmige Sockel der Statue. Partikel für Partikel gewann er zurück, was abgewittert war. Die verschliffenen Runen wurden kenntlich – und lesbar – auf allen vier Seiten.
    Verstehe verkehrt!
    Oben wird unten.
    Eis zu Feuer.
    Beschleunigte Zeit gebiert Finsternis.
     
    *
     
    Was in diesem klinisch sauberen Raum ohne Ausgang war verkehrt herum besser zu verstehen?
    Sie klopfte sich an den Hinterkopf, rannte zur Tonbandmaschine, wollte die elastische Schleife von den Spulen zerren ... und stellte ernüchtert fest, dass sich gar nichts ändern würde, wenn sie das Band seitenverkehrt einlegte. Es besaß ja nur je eine Seite, die immer zugleich vorn und hinten, sowie eine Kante, die sowohl oben als auch unten war ...
    Aber Moment! Die Richtung des Abspielvorgangs musste mitnichten unweigerlich dieselbe sein! Diese hing allerdings nicht von der Lage des Bandes ab, sondern davon, ob sich die Spulen rechts- oder linksherum drehten.
    Einer der Kippschalter war grellrot markiert. Möglicherweise diente er zur Aufnahme. Sicherheitshalber betätigte sie zuerst die anderen; denn das Band versehentlich löschen wollte sie keinesfalls.
    Aha! Schneller Vorlauf, schneller Rücklauf ... Beim dritten Schalter hatte sie Erfolg.
    Abermals erschallte der Chor, nun deutlich weniger verzerrt. Als wohlklingend empfand sie die Melodie weiterhin nicht, doch sie verstand das Gesungene: „... musst es sei für die fi sche nicht tu was du musst es sei für die fi sche nicht tu was ..."
    Wo war der Anfang des Satzes? Mit den Augen verfolgte sie die Stelle, an der das Band zerschnitten und um 180 Grad verdreht wieder zusammengeklebt worden war.
    Falsch gedacht!, schalt sie sich. Auf einer endlosen Schleife ist jeder Punkt gleichwertig. Hör lieber genau hin!
    Jede Tonhöhe kam nur einmal vor und entsprach jeweils einer von insgesamt elf lang gezogenen Silben. Begann die Sequenz vielleicht mit dem tiefsten Ton? Oder mit dem höchsten?
    Konzentriert horchte sie, prägte sich Reihenfolge wie auch Relation der verschiedenen Stufen zueinander ein, bis sie die ganz und gar nicht leicht ins Ohr gehende Komposition auswendig gelernt hatte. Trotzdem stach noch immer kein zwingender Startpunkt der Melodie hervor, weil diese leider keinerlei dramatische Akzente aufwies.
    Sie konzentrierte sich nun stattdessen auf Semantik und potentielle Interpunktion.
    Fische nicht, tu was! Du musst. Es sei für die ...?
    Für wen?
    Sie war nahe dran, das spürte sie.
    Aber dass just das letzte, maßgebliche Wort der Botschaft ausgelassen würde, erschien ihr denn doch allzu vertrackt.
    Da ihr die pausenlose Wiederholung auf die Nerven ging, schaltete sie den Apparat ab. Sie hatte die elfsilbige Reihe ohnehin bereits verinnerlicht.
    Geduldig verschob sie den Anfang um eine Silbe. Das ergab nun gar keinen Sinn.
    Noch eine ... Ja, das schon eher.
     
    *
     
    Tu, was du musst, es sei für die Fische nicht.
    Hm. Auch nicht unbedingt die eleganteste Poesie; doch immerhin ein vollständiges, grammatikalisch vertretbares Satzgefüge. Vor allem aber korrelierte die Aussage mit den Schnörkeln auf der Unterseite der Schatulle.
    Wer nicht fähig ist zu morden, hieß es dort, hat kein Leben verdient.
    War es also das, was sie tun musste, wenn sie nicht in ihrer Zelle verhungern und verdursten wollte – die silbernen und goldenen Fische umbringen? Was hatte sie davon, außer ungehindertem Zugriff auf ein weiteres, derzeit unbrauchbares rostiges Zahnrad?
    Überhaupt – wie sollte sie die Fische töten? Indem sie das ganze Aquarium zertrümmerte, beispielsweise mit einem Stuhl oder dem schweren Roboterarm, und wartete, bis die hübschen Tiere am
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