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242 - Im Fadenkreuz

242 - Im Fadenkreuz

Titel: 242 - Im Fadenkreuz
Autoren: Jo Zybell und Mia Zorn
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dort oben einen weiteren Ausstieg zu finden, obwohl sie schon längst die gesamte Schleuse vergeblich danach abgesucht hatten.
    Chacho erhob sich seufzend. Er kannte Aruula noch nicht lange. Doch er war sich sicher, dass sie nichts unversucht lassen würde, um wieder zu ihrem Gefährten Maddrax zu gelangen. Vermutlich würde sie als nächstes versuchen, sich mit dem Schwert unter dem Schott durchzugraben, hinter dem vor langer Zeit ihr Geliebter und sein Kontrahent General Crow verschwunden waren.
    Ein übler Zeitgenosse, dieser General. Aus ganz anderen Beweggründen als Matt Drax – oder Maddrax, wie Aruula ihn nannte – war auch er hinter dem Flächenräumer her, einer Waffe der allerschlimmsten Sorte.
    Chacho wandte sich der inneren Schleuse zu. Seine Miene war düster. Irgendwo dahinter sollte sich die Waffe befinden. Ob die beiden Männer sie wohl inzwischen gefunden hatten? Ob sie überhaupt noch lebten? Aruulas Gefährte würde nicht zulassen wollen, dass die zerstörerische Waffe in die Hände des Generals gelangte. Doch welche Chance hatte er denn? Dieser Crow war im Gegensatz zu Drax bewaffnet.
    Es dauerte schon viel zu lange, seit sie hinter dem Schleusentor verschwunden waren. Chacho befürchtete das Schlimmste. Auch für Aruula und sich selbst, denn die Vorräte, die er in seinem Rucksack hatte retten können, gingen zur Neige. Den erlegten Barschbeißer hatten sie längst verspeist – roh, denn ein Feuer hätte nur die Atemluft hier drin vergiftet. Es reichte schon, dass der Geruch ihrer Ausscheidungen in der Kammer hing. Glücklicherweise drangen Schmelzwasser und Sauerstoff durch dünne Spalten an der Decke; wohl auch der Grund dafür, dass sich in der Schleusenkammer Vegetation hatte bilden können.
    Halbherzig streckte der Einsiedler seine Hand aus und zog an dem silbern schimmernden Hebel. Noch bevor er ihn betätigte, wusste er, dass der Öffnungsmechanismus keine Wirkung zeigen würde. Die beiden Konkurrenten hatten das Tor von innen verriegelt. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass einer von ihnen es wieder öffnen würde. Chacho hoffte, dass es Maddrax sein würde.
    Bei diesem Gedanken drehte er sich nach Aruula um. Die Barbarin hatte inzwischen aufgehört, das Deckengestrüpp zu bearbeiten. Sie kauerte an der gegenüberliegenden Wand und drückte ihr Ohr gegen das äußere Schott der Schleusenkammer. Es führte in eine Felsenhöhle, hinter der die Eistunnel lagen, durch die man ins Freie gelangen konnte, in die Eiswüste der Antarktis.
    Aruulas schwarze Haarpracht lag wie ein seidiger Umhang auf ihren nackten Schultern. Blutige Schlieren bedeckten die Zeichnungen auf ihrer Haut. Auf ihrem schönen Gesicht lag ein wachsamer Ausdruck. »Sie verhalten sich still«, sagte sie mit rauer Stimme, als ihre Blicke sich begegneten, »aber sie sind noch da.«
    Sie sprach von den Barschbeißern auf der anderen Seite des Schotts, die immer noch hin und wieder gegen das Tor anrannten. Sie wussten um die sichere Beute, und sie konnten warten. Aus eigener Erfahrung wusste Chacho, dass es noch Wochen dauern konnte, bevor sich die Bestien verzogen.
    Momentan war ihr Wüten verstummt. Doch selbst wenn sie sich nicht mehr in der Vorhöhle zur Schleuse befanden, hielten sie sich garantiert in der Nähe auf. Aruula und Chacho konnten die Kammer nicht verlassen; gegen die Übermacht der Barschbeißer hatten sie nicht den Hauch einer Chance. Aber immerhin können wir ihnen eine lange Nase drehen… indem wir hier drin verhungern, dachte Chacho bitter.
    Müde strich er sich über sein bärtiges Gesicht. Warum nur hatte er sich überreden lassen, Maddrax und Aruula hierher zu bringen? An diesen Ort, an dem er einst seine Frau und Tochter, ja sein gesamtes Volk verloren hatte? Warum war er nicht in seiner Höhle im Grenzland zwischen dem Antarctic Empire und Clarkland geblieben? Wahrscheinlich wäre er jetzt mit seinem Sebezaan Sable auf der Jagd.
    Er ballte die Fäuste. Spätestens nach dem Tod der beiden Hydriten hätte er umkehren müssen und nicht noch das Leben des blonden Mannes und der Barbarin aufs Spiel setzen sollen. Jetzt war es zu spät.
    Es ist doch müßig, über ›wenn‹ und ›hätte‹ nachzudenken, ermahnte Chacho sich selbst. Das hier war seine Bestimmung, die Vorsehung der großen Mamapacha. Zwar wäre es ein gerechter Ausgleich, wenn er hier in der Risswelt den Tod finden würde, wie vor ihm seine geliebte Familie und sein Volk. Doch galt das auch für die Barbarin?
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