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242 - Im Fadenkreuz

242 - Im Fadenkreuz

Titel: 242 - Im Fadenkreuz
Autoren: Jo Zybell und Mia Zorn
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Nein. Sie durfte nicht sterben!
    Ihretwegen war er hier. Und jetzt bestand seine Aufgabe darin, Aruula zu beschützen. Auch wenn die schöne Frau nicht den Eindruck machte, als brauche sie den Schutz von irgendjemanden.
    Sein Blick glitt über das Skelett des Barschbeißers, das zwei Speerwürfe vor ihm auf dem Boden lag. Das grünliche Licht, das aus den Wänden drang, ließ die bleichen Knochen – eigentlich ein Zwischending von Knochen und Gräten – unheimlich schimmern. Kaum zu glauben, dass Aruula diese Kreatur mit nur wenigen Schwerthieben erlegt hatte. Mit Schaudern fiel ihm wieder ein, wie sein eigener Harpunenpfeil am schuppigen Hautpanzer abgeprallt war. Aruula hatte ihm das Leben gerettet.
    Was auch immer sie beide hier unten erwartete, er würde bis zum Ende an ihrer Seite bleiben.
    Er straffte seine Schultern und holte seinen Tornister. Entschlossen durchquerte er die Kammer. Bei Aruula angekommen, packte er die letzten getrockneten Fleischstreifen und den Wasserschlauch aus. »Iss etwas. Du musst bei Kräften bleiben.«
    Doch Aruula beachtete ihn nicht. Ihre großen braunen Augen mit den grünen Einsprengseln waren starr auf das gegenüber liegende innere Schott gerichtet. Sie lauschte. Chacho, der von ihrer Gabe, Gedankenbilder empfangen zu können, wusste, wartete geduldig. Er konnte von ihrem Gesicht ablesen, dass es ihr immer noch nicht gelang, eine mentale Botschaft von Maddrax zu empfangen. Sie sah unglücklich aus.
    Schade.
    Bevor Chacho etwas Tröstliches sagen konnte, prallte von draußen ein schwerer Körper gegen das gegenüberliegende Schott. In ihrem Rücken ächzte das Metall, und der Boden erzitterte.
    Sie fuhren herum. Der nächste Ansturm der Barschbeißer auf das Tor hatte begonnen…
    ***
    Waashton, Meeraka
    26. April 2525
    Ein Traum riss Rev’rend Rage aus dem Schlaf – ein gewaltiger, farbenprächtiger Traum. Ein Engel Gottes gewährte ihm in diesem Traum einen Blick in die Zukunft. Es war eine erschütternde und zugleich beglückende Vision, und mit klopfendem Herzen wachte der Erzbischof von Waashton auf.
    »Das war kein Traum«, murmelte er. »GOTT selbst hat zu mir gesprochen…« Er setzte sich auf und spähte zum offenen Fenster. Sein Herzschlag beruhigte sich nur langsam wieder. Der Vollmond schien in seine Kammer. Ein lange nicht mehr empfundenes Glücksgefühl durchpulste den Erzbischof. »Was für ein wundervoller Traum…«
    Er schwang sich aus dem Bett, kniete nieder und begann zu beten. »Ich danke dir für diese Vision, allmächtiger GOTT! Ich danke dir, dass du deinen geringen Diener hast schauen lassen, welche segensreiche Zukunft du ihm und dieser Stadt zugedacht hast. Ich danke dir für…« Er stockte, denn er wusste nicht, wofür er seinem Gott noch hatte danken wollen. »Ich danke dir…« Nichts fiel ihm mehr ein. Er versuchte sich an den Traum zu erinnern. Vergeblich – er hatte ihn vergessen! Einfach vergessen!
    Rev’rend Rage dachte nach. An den Engel erinnerte er sich noch, an dessen mächtige Stimme und an sein Glücksgefühl beim Erwachen. Doch an sonst nichts mehr. Wie ärgerlich! Der Erzbischof griff in sein Lager, bekam eine Decke zu fassen und warf sie sich über die Schultern. Seufzend erhob er sich von seinen Knien.
    Grübelnd und in die Decke gewickelt, trat er ans Fenster und blickte ins nächtliche Waashton hinaus. Die ganze Ruinensiedlung schlief noch; oder fast die ganze: Ein paar Häuser weiter hörte er einen Mann und eine Frau lautstark miteinander streiten.
    Was nur war es gewesen, das ihm der Engel im Traum gesagt hatte? Der hagere Mann mit den schwarzen Bartstoppeln und dem langen schwarzen Haar massierte sich den Nasenrücken und versuchte sich zu erinnern. Was war es gewesen, das ihm der Engel des HERRN im Traum gezeigt hatte? Immer wenn Rev’rend Rage glaubte, kurz davor zu sein, das entglittene Traumbild aus dem Dunkel seines Gedächtnisses zu reißen, entglitt es ihm erneut. Er konnte sich einfach nicht mehr an die Verheißung des Engels erinnern. Die göttliche Vision war wie weggeblasen. Nur dass es um die Zukunft gegangen war, das wusste der Rev’rend noch. Um eine gesegnete Zukunft, sonst wäre er ja nicht glückselig und mit klopfendem Herzen aufgewacht.
    Männer zogen auf der anderen Straßenseite vorbei. Sie sangen laut, ihre Schritte waren unsicher. Betrunkene. Aus einer Gasse drang Geschrei. Schritte näherten sich aus ihr, ein Mann mit einem Bündel über der Schulter spurtete keuchend um die Ecke und verschwand in
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