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241 - Splitterzeit

241 - Splitterzeit

Titel: 241 - Splitterzeit
Autoren: Manfred Weinland
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schlecht, vielleicht ein heißer Kaffee dazu… und dann würde ich, falls nichts dagegen spricht, gern los ziehen. Ich bin nicht von hier, und ich will zumindest versuchen, wieder dorthin zurückzukehren, woher ich stamme.«
    »Und das wäre?«, fragte Fargo, dessen Blick über Matts Kleidung tastete.
    Matt lächelte. »Im Süden. Aber ziemlich weit von hier entfernt.«
    »Wie wollen Sie dorthin kommen? Es gibt momentan keine ausfahrenden Schiffe. Alle Fahrzeuge wurden beschlagnahmt, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Sie werden schon noch ein Weilchen warten müssen – oder den Landweg wählen. Wenn Sie wollen…« Er zögerte kurz, was zeigte, wie nachhaltig sich sein Angebot auf das Leben seiner kleinen Familie auswirken würde. »… können Sie mein Pferd haben. Damit kommen Sie bis –«
    Matt schüttelte den Kopf. »Das kann und werde ich nicht annehmen. Aber vielleicht kann mir jemand helfen, nach dem ich suchte, als ich… nun ja, als ich geschnappt wurde.«
    »Der Mann, der bei Ihnen war? Er ging uns durch die Lappen.« Fargo zuckte bedauernd die Achseln. »Tut mir leid.«
    »Den meine ich nicht – obwohl ich gegen ein Wiedersehen nichts einzuwenden hätte. Es gibt da ein paar Dinge zu ›besprechen‹… Sie verstehen?«
    Ben hob abwehrend die Hände. »Vielleicht besser nicht. Um wen handelt es sich dann?«
    »Um einen gewissen Gustave Whitehead – seines Zeichens Erfinder und… Flieger.«
    »Flieger?«, echote Anne und zog ihre Stirn kraus. »Es wird immer kurioser. Ein Mann, der… fliegen kann?«
    »Zumindest behauptet er selbst es.« Matt winkte ab. »Schon gut. Ich wusste, dass Sie ihn nicht –«
    »Moment mal«, unterbrach ihn Fargo. »Wir mussten da letztens einen Streit schlichten. Das war bei einer Werkstatt, in der ein sonderbares Vehikel stand. Ein komisches Automobil, dachte ich noch. Es hatte seitlich hochgeklappte Flächen. Und der Mann, der uns gerufen hatte, faselte irgend was von einem Fluggerät. Hölle und Verdammnis, da gibt’s doch diese beiden Brüder, die Wrights, die ihren ›Flyer‹ bei Kitty Hawk in die Luft brachten. Die Zeitungen sind voll davon… Was dieser Whitehead damit zu tun hat, weiß ich zwar nicht, aber…«
    »Aber?«
    »… ich könnte Ihnen den Weg zu seiner Werkstatt beschreiben. Die Chance, ihn dort noch anzutreffen, dürfte verschwindend gering sein, aber einen Versuch ist es wert. Das Viertel, von dem ich spreche, wurde bislang weitgehend von Bränden verschont.«
    Matt sah ihn ungläubig an. »Wenn Sie das wirklich tun wollen…«
    Ben lachte glockenhell auf. Er zog eine Schublade auf, kramte Papier und Kohlestift hervor. Dann winkte er Matt zu sich an den Esstisch. »Es ist nicht schwer zu finden. Wenn Sie von hier aus in die Stadt runtergehen…«
    ***
    In der Abenddämmerung bot die Stadt ein noch beklemmenderes Bild als bei Tag.
    Obwohl – wann war es in San Francisco zuletzt Tag gewesen? Der allgegenwärtige Rauch erstickte die Sonne, und der Himmel war von lavendelfarbenen Schlieren durchzogen, als hätte ein Maler begonnen, das Grau mit einer neuen Schattierung zu durchmischen.
    Von der letzten Anhöhe, die ihn noch von der Stadt trennte, hatte Matt freie Sicht auf die Bucht, in der sich Schiffe drängten, unglaublich viele Schiffe, darunter etliche Fähren, die zum Einsatz kamen, um obdachlos gewordene Bewohner zu evakuieren. Ein ergreifendes Bild und umso faszinierender, weil sich unter all den Fahrzeugen auch eines befand, gegen das die anderen wie Zwerge anmuteten.
    Ein Flugzeugträger, dachte Matt beeindruckt. Der Riese war so nah, dass er die Buchstaben vorne am Bug lesen konnte: USS CHICAGO.
    Wie an einer Kette aufgereiht bewegte sich ein steter Strom von Zubringerbooten auf den grauen Giganten zu und von ihm weg. An der Pier drängten sich die Menschen, die hofften, ein Ticket zu bekommen, das sie fortbringen würde von dem Ort, an dem ihre Träume begraben worden waren.
    Die verzweifelten Menschen versetzten Matt einen inneren Stich. Er wünschte, er hätte etwas für sie tun können – aber das Beste, was er tun konnte, war, so passiv wie möglich zu bleiben. Mit Crow – diesem Bastard! – hatte er lang und breit die Gefahren erörtert, die ihr Aufenthalt in der Vergangenheit in sich barg. Ein Zeitparadoxon gewaltigen Ausmaßes drohte, wenn sie in die Geschichte eingriffen. Was gerade noch erlaubt und was bereits zu viel war, darüber konnte Matt nur spekulieren. Fakt war jedenfalls, dass sie bereits oben bei
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