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241 - Splitterzeit

241 - Splitterzeit

Titel: 241 - Splitterzeit
Autoren: Manfred Weinland
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auf die beiden Galgenvögel, die mit erhobenen Händen vor der Wand Aufstellung genommen hatten.
    »Wer hat Ihnen die Handschellen abgenommen, Mister?«, fragte Ben Fargo scharf. Sein Blick schwenkte zu seiner Frau. »Anne?«
    Sie machte eine beschwichtigende Geste und beteuerte: »Er hätte fliehen können – aber er half uns, Ben. Er setzte sein Leben für uns aufs Spiel. Wer weiß, ob du noch rechtzeitig gekommen wärst, wenn er die Bande nicht aufgehalten hätte…«
    Der Polizist überlegte kurz, dann entspannte er sich etwas. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein jungenhaftes Gesicht. »Stimmt. Und hätte ich den Schuss nicht gehört, wäre ich völlig arglos gewesen und den Halunken wahrscheinlich ins Messer gelaufen… Ich habe Ihnen wohl zu danken, Mister…?«
    »Matt. Einfach Matt.«
    »Ben. Das sind meine Frau Anne und mein Sohn Edward…«
    »Ich weiß.« Matt nickte. »Soll ich ihnen…«, er zeigte auf die beiden Galgenstricke, »… helfen, sie zu fesseln?«
    »Das wäre kein Fehler. Aber seien Sie vorsichtig.« Er warf Matthew zwei Paar Handschellen zu.
    »Bin ich meistens.« Matt grinste schief. »Übrigens habe ich noch nie jemanden mit so vielen Handschellen gesehen. Sie könnten damit Handel treiben.«
    »Ja, die Zeiten sind hart. In der Stadt herrscht immer noch das Chaos. Überall ist der Mob unterwegs, zieht plündernd und…« Er verstummte. Sein Blick suchte Anne, der die Bestürzung ins Gesicht geschrieben stand. Sie ahnte ebenso wie Matt, was er hatte sagen wollen. Wo Bedingungen wie in Frisco herrschten, waren auch die Vergewaltiger nicht weit. Egal, zu welcher Zeit, egal, an welchem Ort der Welt.
    Traurig, aber wahr.
    Matt schaffte das Gesindel gemeinsam mit Ben Fargo nach draußen und kettete die Männer an die Wagenräder einer Kutsche. In gebührendem Abstand zueinander, sodass gegenseitige Befreiungshilfe unmöglich war. Gemeinsam kehrten sie ins Haus zurück und überzeugten sich vom Zustand der drei, die weniger Glück als ihre Kumpane gehabt hatten. Die beiden Niedergeschossenen waren, wie ohnehin vermutet, tot. Und der Dritte hatte den Keulenschlag ebenfalls nicht überlebt. Matt war im Zwiespalt, ob er es bedauern sollte oder nicht. Fast noch schwerer als sein Gewissen lastete die Befürchtung auf ihm, dass er mit diesem Eingriff in die Zeitlinie die Zukunft verändert haben könnte. Falls die Plünderer nicht ohnehin in den nächsten Tagen als Plünderer erschossen worden wären.
    Und was war mit Anne und ihrem Sohn? Hätten sie sterben sollen – und lebten nun durch seine Schuld weiter? Ein verzwicktes, erschreckendes Szenario…
    Auch die Leichen beförderten er und Fargo auf die Ladefläche der Kutsche. Die finsteren Blicke der beiden gefesselten Bandenmitglieder ignorierten sie ebenso wie deren Drohungen und Flüche.
    Zurück im Haus, kümmerte der Polizist sich erst einmal um seine Familie, während Matt sich fragte, ob dies nicht ein guter Moment wäre, sich aus dem Staub zu machen. Er wusste nicht, wie stark ausgeprägt Fargos Idealismus war – ob er Polizist aus »Leidenschaft« und Überzeugung geworden war… oder einfach nur, um seine Familie ernähren zu können und sich nichts Besseres gefunden hatte. Letztlich würde die Antwort darauf wohl den Ausschlag geben, ob sich auch um Matts Handgelenke wieder Schellen schlossen oder ob sein Lebensretter – nichts anderes war er nun zum zweiten Mal geworden – Fünfe gerade sein ließ und sich dafür revanchieren würde, was Matt für ihn getan hatte.
    Wie die Entscheidung dazu ausgefallen war, signalisierte bereits die Art und Weise, wie der Polizist Matt etwa eine Stunde später in der Küche des Hauses entgegentrat. Im einen Arm seine strahlende Frau, im anderen seinen immer noch verängstigten Sohn, kam er auf Matt zu und sagte ernst: »Nochmals danke. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn –«
    »Das war selbstverständlich«, unterbrach ihn Matt. »Sie hätten dasselbe für mich getan. Außerdem stehe ich in Ihrer Schuld. Ihre Frau erzählte mir, was passiert ist und wie ich hierher gelangte. Also: Wenn überhaupt, dann sind wir jetzt quitt.«
    Ben schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Für mich wiegen die Leben, die Sie gerettet haben, schwerer als das, was ich für Sie tat. Und dass Sie kein schlechter Kerl sind, haben Sie mehr als bewiesen. Wenn ich Ihnen also irgendwie helfen kann…«
    Matt spürte die tiefe Ernsthaftigkeit des Angebots. Er nickte ruhig. »Ein Happen zu Essen wäre nicht
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