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241 - Splitterzeit

241 - Splitterzeit

Titel: 241 - Splitterzeit
Autoren: Manfred Weinland
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Gesicht in die andere Richtung…
    … und sah gerade noch, wie Rose in die starken Arme des Schnauzbartträgers flog.
    Es war, als würden Zentnerlasten von Louises Schultern fallen. Sie sprang auf. Das bilde ich mir ein. Das muss ich mir einbilden…
    Aber lachend, wenngleich humpelnd, kam Gustave seiner Frau entgegen, die kleine Rose auf dem Arm und eng an sich gepresst. »Ich bin so froh…«
    Minutenlang lagen sie sich nur in den Armen und küssten sich ab. Schließlich, schon etwas gefasster, seufzte Louise: »Dann hat er also doch nicht gelogen – wir haben dich nur übersehen. Zum Glück hast du uns gefunden… aber wie nur, mein Liebling? Wie?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Ich war in meiner Werkstatt, als die Beben begannen – aber das weißt du ja. Die Halle hielt den Erschütterungen stand, aber das eine oder andere in ihr fiel um. Dummerweise auch die schwere Hebevorrichtung, mit der ich die Motoren bewege… Sie fiel so unglücklich, dass ich davon eingeklemmt wurde und mich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. Auch meine Hilferufe blieben ungehört. Bis…«
    »Bis?« Louise und Rose hingen an seinen Lippen.
    »Bis ein Fremder auftauchte. Ein Fremder, den ihr kennen müsst… Er befreite mich aus meiner Misere und – ich traute meinen Ohren kaum – sagte mir dann, dass er wisse, wo ihr seid. Hier im Camp. Die Farm liege in Schutt und Asche, behauptete er. Ich war zuerst wie vom Donner gerührt, aber als er sagte, dass ihr gesund und munter seid, war ich überglücklich. Ich machte mich sofort auf, nach euch zu suchen.« Er zeigte auf sein linkes Bein. »Leider bin ich nicht so gut zu Fuß. Der Unfall hat mir fast den Knöchel zerschmettert. Es wird eine Weile dauern, bis –«
    »Wann?«, unterbrach ihn Louise blass. »Wann war der Mann bei dir? Hieß er zufällig… Crow?«
    »Crow? Ja, das war sein Name. Er trug eine komische Uniform, wie ich sie noch nie sah… drei Stunden mag das her sein. Vielleicht vier.«
    Es war dreimal so lange her, dass Crow oben auf dem Hügel erschienen und ihnen gesagt hatte, Gustave befände sich leicht verletzt in der Zeltstadt. »Du musst dich irren.«
    »Irren? Aber ich irre mich doch nicht. Er war vor drei, vier Stunden bei mir, und ich bin sofort hergeeilt. So schnell ich eben konnte… Was ist denn, Liebes?«
    Sie nahm sein Gesicht in beide Hände, küsste ihn und schüttelte den Kopf. »Nichts. Nichts, was von Bedeutung wäre. Alles was zählt ist, dass wir wieder zusammen sind. Und zusammenbleiben werden.«
    Er musterte sie fragend, verzichtete aber auf weitere Erklärungen. Vorerst zumindest. »Das werden wir«, versicherte er. »Diese Stadt hat uns kein Glück gebracht. Wir werden wieder dorthin zurückgehen, von wo wir kamen.«
    Sie nickte zustimmend. Die kleine Rose gluckste vor Freude.
    Und Gustave dachte an den Mann, der ihn befreit, der ihm den Weg zurück zu seiner kleinen Familie gewiesen hatte. Er dankte ihm von Herzen. Dieser Crow war ein guter Mensch, und der Aeronaut wünschte, er hätte ihm vergelten können, was er für ihn getan hatte…
    ***
    Langsam näherte sich Matt der Wellblechhalle, in die in gewissen Abständen Fenster eingelassen waren. An der Vorderfront gab es zwei große Torflügel aus Metall, und in einen von ihnen war zusätzlich eine normale Tür eingelassen. Auf sie steuerte Matt nicht direkt zu. Zuerst suchte er eines der bodennahen Fenster auf und spähte ins Innere der Werkstatt. Aber es war finster dort drinnen wie in einem Kohlensack.
    Er überlegte, ob er rufen sollte, entschied sich aber dagegen. Nachdem er die Halle einmal komplett umrundet und in jedes erreichbare Fenster hinein gelugt hatte, kehrte er zur Vorderfront zurück und prüfte die Tür, die ins Tor eingelassen war. Sie gab sofort nach, war unverschlossen.
    Matt zögerte nur für die Dauer eines Blickes über die Schultern – stadteinwärts, wo Glutnester ebenso brannten wie riesige Feuer. Und von wo immer wieder Explosionen durch die Nacht dröhnten, Gebäude gesprengt wurden und mit Getöse in sich zusammenfielen.
    Er überwand die Schwelle und trat ein. Einen Hauch von Licht nahm er mit ins Innere. Dann wartete er, bis sich seine Augen an das Fastdunkel gewöhnt hatten. Bis sich vor ihm Konturen abzeichneten. Die Maschine, die die Halle dominierte und zu einem guten Stück vereinnahmte, hatte er von draußen ebenso wenig bemerkt wie das übrige Inventar, die Tische und Werkzeuge, Flaschenzüge und Metallfässer. Über allem hing der scharfe
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