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2370 - Die Milliardenstadt

Titel: 2370 - Die Milliardenstadt
Autoren: Unbekannt
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das Herz bis zum Hals schlug. „Na schön." Nackte Füße tapsten über feuchten Boden. Eine Hand, zittrig und dürr, mit langen Fingernägeln, schob sich aus der Dunkelheit, schloss sich um das Gefäß. „Nicht so schnell!" Aheun atmete tief durch. „Ich möchte dich sehen, sagte ich."
    Wollte er das wirklich? Warum war er gekommen, was wollte er sich beweisen?
    Dass er mehr Schneid besaß, als er von sich selbst angenommen hatte? „Hartnäckiger, kleiner Kerl. Du bist ein feister Bursche. Was hat dich denn hierher getrieben?"
    Das Gesicht der hutzeligen Frau war hinter einer löchrigen Kapuze verborgen, die vor Feuchtigkeit glänzte. Behutsam schob Aheun die Hände vor, griff nach den Rändern des Stoffes und zog, sie weg. „Ist nicht schön anzusehen, wie?", fragte Elfia Jin, seine Mutter.
    Mehrere Hautlappen hingen aus ihrem Gesicht nach unten weg. In kugelförmigen Verdickungen an deren Enden bewegte sich etwas. Parasiten ...
    Instinktiv wischte sich Aheun die Hände an seiner Hose ab. „Ist nicht ansteckend", lachte Elfia meckernd.
    Sie riss ihm die Flasche aus der Hand, zog gierig daran, leerte sie bis auf einen kleinen Rest. „Verdammt gutes Zeug", meinte sie schließlich und mit deutlich spürbarer Sehnsucht in der Stimme: „So was Leckeres hatte ich schon lange nicht mehr."
    All die Fragen, die Aheun hatte stellen wollen, schienen ihm plötzlich so bedeutungslos. Diese Frau hier - sie war irgendwer. Ein armes Geschöpf, das vom Leben gestraft worden war und einen Abstieg genommen hatte, den er bislang nicht für möglich gehalten hätte.
    Und dennoch verdankte er ihr so viel.
    Hätte sie ihn nicht bei der Lotterie angemeldet, würde er sich vielleicht unweit in einem Drecksloch suhlen und stumpfe Gedanken wälzen. „Was starrst du mich so an, Junge? Gefalle ich dir? Stehst du auf eine wie mich?"
    Elfia lachte. „Kannst mich gern haben, ich verlange nicht viel." Sie glitt näher an ihn heran.
    In diesen Momenten verfluchte Aheun seinen ausgezeichneten Geruchssinn. Das welke Wesen kam immer näher, schob eine Wolke nach fauligem Gemüse und Kot vor sich her.
    Ihre Finger glitten nach oben und näherten sich seinem Gesicht. Er wollte zurückweichen, konnte es aber nicht. „Schönes Gesicht. Herrlich weich und rund und so sauber."
    Aheun glaubte, jede einzelne Rille ihres Fingerabdrucks auf seiner Haut zu spüren.
    Die Alte widerte ihn an. Warum tötete er sie nicht und erlöste sie so von ihrem Schicksal? Niemand hier, in diesem untersten Loch einer Stadt, die die hässlichste Seite seines Volkes zeigte, würde sich um die Frau scheren.
    Elfias Finger glitten über seinen Mund, zogen den Schwung seiner Lippen nach.
    Sie stockte, massierte über die drei nahe beieinander liegenden Leberflecken. „Das erinnert mich an etwas", murmelte sie mit klarer Stimme. „Was denn?", fragte Aheun.
    Die Finger blieben an seinem Mund, als klebten sie fest. „Lass mich nachdenken, lass mich nachdenken." Elfia verstärkte den Druck auf seine Haut und summte ein Lied. Sie wiegte ihren zerbrechlichen Körper hin und her, als wäre sie ein junges Mädchen. „Jaro, Vanicim, Feitlo", summte sie. „Die drei Ältesten. Sieburga und Kakani, die beiden Jüngsten. Und dazwischen ..."
    „Ja?"
    „Da war noch was. Der Ausflug ins Freie, in dieses grässliche Grün, der blaue Himmel über mir, und ich hatte so viel Angst, dass ich nur noch laufen wollte, zurück in den Schutz der Stadt, in die Sicherheit, und an diesem Abend habe ich gesoffen und geweint und geweint und gesoffen, bis ich nicht mehr konnte." Sie lächelte plötzlich. „Am nächsten Tag war alles vorbei. Eine Einbildung war's gewesen, na klar. Lediglich ein doofer Traum. Und du bist auch aus diesem Traum, nicht wahr? Bist zurückgekehrt, um mich noch einmal zu erschrecken."
    Sie brüllte laut auf, kratzte ihm quer über den Mund, riss ihm die Haut von den Lippen.
    Aheun wich erschrocken zurück, streckte seine Rechte abwehrend aus. „Wie kannst du es wagen zurückzukommen, du verdammter Traum?", schrie sie ihn an. „Bleib gefälligst dort, wo du hingehörst!"
    Sie spuckte Speichel in alle Richtungen, schnaufte wie ein Nickel in den letzten Todeszuckungen. Ihre Parasiten begannen von innen zu glühen und leuchteten das Gesicht auf gespenstische Art und Weise aus: Genauso abrupt, wie der Anfall gekommen war, ließ er auch wieder nach. Elfia Jin schob die Kapuze über ihr Gesicht und zog sich schwer atmend in ihr feuchtes Loch zurück. „Bring mir mehr vom
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