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234 - Das Drachennest

234 - Das Drachennest

Titel: 234 - Das Drachennest
Autoren: Jo Zybell
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perlmuttfarbene, mit Schnitzereien versehene Bauchplatte aus Hummerpanzer und ein weit ausgeschnittenes Oberteil aus weißem Fischleder. Um ihre Hüften hatte sie sich ein gelbes Tuch geschlungen.
    Rum’ol schaltete die Blinkzeichen aus, die anderen Quallen seines kleinen Kampfverbandes folgten seinem Beispiel. Anschließend deaktivierte er den letzten bionetischen Zellkranz, der auf der Quallenaußenhaut noch leuchtete. Kurz darauf gingen auch bei den drei anderen Quallen die Positionslichter aus. Zugleich rückten alle vier Großquallen näher zusammen. Keine entfernte sich von nun an weiter als sechzig Längen von den anderen.
    Rum’ol legte alle Finger auf das Haupttastfeld. Er aktivierte den Peilstrahl und tastete die Umgebung in einem Radius von fast fünftausend Längen ab. Alle drei Hydriten blickten konzentriert auf das Hauptsichtfeld über den Armaturen. Der bionetische Navigationsimpulser blendete die Reflexe des Peilstrahls in das Meerespanorama ein.
    »Alles ruhig«, sagte Hor’ut. »Nichts zu sehen von den Abscheulichen. Ich schlage vor, wir graben uns mit den Quallen im Meeresgrund ein, beobachten diese Region und warten, bis die Mar’oskrieger auftauchen.«
    »Klingt einleuchtend«, sagte Dag’ar. »Irgendwann werden sie ja auftauchen, wenn sie hier zu jagen pflegen. Das könnte allerdings dauern.«
    »Auf die paar Lichter kommt es nun auch nicht mehr an«, sagte Rum’ol.
    Er spielte natürlich auf die lange Zeit an, die sein kleiner Kampfverband bereits unterwegs war. Nicht nur ein paar Lichter – also Tage – war es her, seit sie aus Hykton, der Hauptstadt des Neun-Städte-Bundes aufgebrochen waren, sondern fast fünf Umläufe, also Jahre. Der Höchste des Bundes selbst hatte sie beauftragt, nach der Mar’os-Kolonie bei Gar’onn’ek zu suchen.
    Hinter diesem Auftrag stand niemand anderes als der Uralte selbst, der Beobachter und Geistwanderer Nag’or. Der war vor nicht ganz acht Umläufen an der Nordatlantischen Küste von dem Schrecklichen Dry’tor und dessen gefürchteter Kampfrotte angegriffen worden. Nag’ors Gefährten wurden damals allesamt getötet. Der Uralte selbst konnte entkommen – doch nur um den Preis, dass er für viele Monde in die Gefangenschaft jener kriegerischen Lungenatmer geriet, die an der Potomac-Mündung siedelten. [1]
    Seit seiner Befreiung suchten Nag’or und der Hochrat des Neun-Städte-Bundes nach dem Schrecklichen Dry’tor. Der war der Höchste der Mar’oskrieger und ebenfalls Geistwanderer.
    Mit vier Großquallen war Rum’ol unterwegs. Jede beförderte drei Hydriten und eine große Menge Proviant und Material. Und natürlich die leider unentbehrlichen Megablitzer. Beim Aufbruch waren sie noch sechzehn Hydriten gewesen. Vier von ihnen waren seitdem bei Kämpfen mit Mar’oskriegern oder bei Angriffen gefräßiger Fische ums Leben gekommen; drei von ihnen waren mental begabt gewesen. Bis auf einen weiteren Wissenschaftler und einen Beobachter bestand die Besatzung der anderen Quallen jetzt nur noch aus Waffenbionetikern. Zu seinem Stellvertreter hatte Rum’ol den jungen Xop’tul aus Torkur gemacht. [2]
    Schon lange wusste man, dass es hier, in der Region des Gar’onn’ek-Atolls ein Hauptquartier der Mar’os-Jünger gab. Während der langen Reise um den großen Kontinent durch den Atlantik in den Pazifik hatten sich die Hinweise verdichtet, dass der Schreckliche Dry’tor sich hierher zurück gezogen hatte.
    »Da sind sie!« Dag’ars Ausruf kam so überraschend, dass Rum’ols Kiemendeckel zuklappte und er zwei oder drei Sekunden lang wie erstarrt das Sichtfeld fixierte. Tatsächlich! Eine Qualle der Mar’oskrieger! Mit der Berührung einer neben den Armaturen tief im Quallengewebe versenkten, rötlich leuchtenden Scheibe sandte Rum’ol den Warnrichtstrahl aus, einen Code, der nur von einprogrammierten Empfängern aufgefangen und gelesen werden konnte; in diesem Fall waren das die anderen drei Großquallen.
    Die Mar’os-Qualle schwebte keine vierhundert Längen knapp über dem leicht ansteigenden Meeresgrund. Sie war dunkel und noch größer als die neuen und geräumigen Transportquallen des Neun-Städte-Bundes. Rum’ols Finger huschten über die bionetische Tastatur – im nächsten Moment schwebte die feindliche Qualle in zehnfacher Vergrößerung durch das Frontalsichtfeld. Muscheln, Plankton und Seetang bedeckten ihre schwarzblaue Außenhaut fast vollständig. Wie ein riesiger, von unzähligen Haartentakeln bedeckter Kugelfisch sah sie
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