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2312

2312

Titel: 2312
Autoren: Kim Stanley Robinson
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nur: »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was mir weiterhelfen könnte, wäre ich dankbar, wenn Sie es mir sagen.«
    »Natürlich«, antwortete Swan voll Unbehagen.
    Darauf bedankte sich der Inspektor und ging.
    »Was sollte denn das?«, fragte Swan Mqaret.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Mqaret. Swan sah ihm an, dass er ebenfalls verstört war. »Ich weiß, dass Alex bei einer Menge Dinge ihre Finger mit im Spiel hatte. Sie hat von Anfang an zu den führenden Persönlichkeiten im Mondragon-Bund gehört, der eine Menge Feinde da draußen hat. Ich weiß, dass sie sich wegen gewisser Probleme im System Sorgen gemacht hat, aber Einzelheiten hat sie mir nicht erzählt.« Er deutete Richtung Labor. »Sie wusste, dass mich das nicht besonders interessieren würde.« Grimmig verzog er das Gesicht. »Dass ich meine eigenen Probleme hatte. Wir haben nicht besonders viel über unsere Arbeit gesprochen.«
    »Aber …«, setzte Swan an und wusste nicht, wie sie fortfahren sollte. »Ich meine … Feinde? Alex?«
    Mqaret seufzte. »Ich weiß nicht. Man könnte durchaus sagen, dass bei einigen dieser Angelegenheiten viel auf dem Spiel stand. Du weißt doch, dass es Kräfte gibt, die gegen den Mondragon sind.«
    »Trotzdem.«
    »Ich weiß.« Er hielt kurz inne. » Hat sie dir etwas hinterlassen?«
    »Nein! Warum sollte sie das getan haben? Ich meine, sie hat ja nicht damit gerechnet zu sterben.«
    »Wer tut das schon? Aber wenn es ihr um Geheimhaltung ging oder um die Sicherheit gewisser Informationen, dann kann ich mir vorstellen, dass sie dich als jemanden betrachtet hätte, zu dem sie Zuflucht nehmen konnte.«
    »Wie meinst du das?«
    »Tja … kann es nicht sein, dass sie etwas in deinem Qube hinterlassen hat, ohne es dir zu sagen?«
    »Nein. Pauline ist ein geschlossenes System.« Swan tippte sich hinter das rechte Ohr. »Derzeit lasse ich sie meistens abgeschaltet. Außerdem würde Alex so etwas ohnehin nie tun. Sie würde nicht mit Pauline reden, ohne mich vorher zu fragen, da bin ich mir sicher.«
    Erneut seufzte Mqaret schwer. »Tja, wie dem auch sei. Soweit ich weiß, hat sie mir auch nichts hinterlassen. Ich meine nur, dass es zu Alex passen würde, irgendwo etwas zu verstecken, ohne uns davon zu erzählen. Aber es ist nichts aufgetaucht. Ich bin mir einfach nicht sicher.«
    Swan sagte: »Bei der Autopsie ist also nichts Ungewöhnliches ans Licht gekommen?«
    »Nein!«, antwortete Mqaret. Trotzdem dachte er noch einmal darüber nach. »Ein zerebrales Aneurysma ist geplatzt, wahrscheinlich erblich bedingt. Es gab eine intraparenchymale Blutung. So was kommt vor.«
    »Wenn jemand eine … eine solche Blutung gezielt ausgelöst hätte, würdest du es auf jeden Fall erkennen?«
    Mqaret runzelte die Stirn.
    Dann hörten sie es erneut an der Labortür klopfen. Sie schauten einander an und erschauerten beide für einen kurzen Moment. Mqaret zuckte mit den Schultern. Er erwartete niemanden.
    »Herein!«, rief er einmal mehr.
    Die Tür ging auf und gab den Blick auf eine Gestalt frei, die in etwa das Gegenteil von Genette war: ein sehr großer Mann. Prognathisch, kallipygisch, Exophthalmus – Kröte, Molch, Frosch –, selbst die Worte klangen hässlich. Kurz ging es Swan durch den Kopf, dass lautmalerische Begriffe vielleicht häufiger vorkamen, als einem bewusst war, dass die Sprachen der Menschen ein Echo der Welt waren, wie Vogelstimmen. Swan hatte selbst einen kleinen Spaßvogel im Kopf. Kröte. Einmal hatte sie in Amazonien eine Kröte an einem Teich sitzen sehen, mit feuchter, warziger, bronzegoldener Haut. Der Anblick hatte ihr gefallen.
    »Ah«, sagte Mqaret. »Wahram. Willkommen in unserm Labor. Swan, das ist Fitz Wahram vom Titan. Er gehörte zu Alex’ engsten Mitarbeitern, und sie hat ihn geschätzt wie kaum jemanden sonst.«
    Swan, die ein wenig überrascht von dem Gedanken war, dass so jemand ohne ihr Wissen Teil von Alex’ Leben hatte sein können, runzelte die Stirn.
    Wahram neigte den Kopf zu einer autistischen Verbeugung. Er legte die Hand aufs Herz. »Es tut mir so leid«, sagte er mit einer Stimme wie Froschquaken. »Alex hat mir viel bedeutet, und nicht nur mir. Ich habe sie geliebt, und bei unserer gemeinsamen Arbeit war sie diejenige, auf die es ankam, die Anführerin. Ich weiß nicht, wie wir ohne sie zurechtkommen sollen. Wenn ich daran denke, wie ich mich fühle, kann ich mir kaum ausmalen, wie es Ihnen gehen muss.«
    »Danke«, sagte Mqaret. Die Leute redeten bei solchen Gelegenheiten immer so
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