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2267 - Ich, Gon-Orbhon

Titel: 2267 - Ich, Gon-Orbhon
Autoren: Unbekannt
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nicht, nach Emili, der Zimmerwirtin, zu rufen. Die Stille in der endlosen Halle zu stören erschien mir wie ein Sakrileg.
    Mein Herzschlag hatte sich beschleunigt, die Atemfrequenz war ebenfalls erhöht. Ich konzentrierte mich darauf, meine Körperfunktionen wieder zu regulieren, was mir nach einigen Sekunden auch gelang.
    Ich dachte nach. Vorausgesetzt, die auf einem einzigen Wort fußende Theorie von der Prüfungssituation stimmte - was erwartete man von mir?
    Wohl kaum, dass ich hier vor meiner verschlossenen Zimmertür stehen blieb.
    Kurz erwog ich, genau das zu tun. Entschloss mich dann aber doch, aktiv zu werden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich würde ewig warten, ohne dass Madam Bronce oder sonst jemand auftauchte.
    Die Abstände zwischen den Säulen betrugen zwischen etwa drei und dreißig Metern. Ich wählte einen Weg, der mich spiralförmig von meinem Zimmer wegführte, wobei ich die Füße so behutsam aufsetzte, dass kein Geräusch entstand.
    Auf diese Weise erforschte ich die nähere Umgebung, bemüht, mir alles möglichst exakt einzuprägen. Nur in durchschnittlich jede fünfte Säule war eine Tür eingelassen, und wiederum nur auf einem Bruchteil davon befanden sich Beschriftungen.
    LABOR VI. - STUDIO FÜR NANO-AKUSTIK. - PERIPATHETISCHER SEMINARRAUM. - AQUAKINETIK. -HÖRSAAL XIII...
    Ich probierte jeden Türknauf. Keiner bewegte sich auch nur einen Millimeter.
    Wenn der Anordnung der Säulen, Türen und ausgeschilderten Räume ein System zugrunde lag, durchschaute ich es nicht. Auch die Reliefs und Statuen, die einige der Säulen zierten, schienen in keinerlei Beziehung zueinander zu stehen. Stilistisch unterschieden sie sich stark; manche waren überaus fein gearbeitet, andere wirkten plump, klobig, unfertig oder verwittert. Bei manchen handelte es sich um abstraktes Formen- und Farbenspiel. Andere bildeten fremde Wesen ab, einzeln oder in Gruppen, bei sonderbaren Zeremonien oder zu scheußlichen Schlachtentableaus arrangiert.
    Erkenntnisse, die mir in irgendeiner Form weitergeholfen hätten, gewann ich nicht. Doch merkte ich mir alles und fertigte im Geist eine Karte jenes Bereichs der Halle an, den ich erkundet hatte.
    Viele Stunden brachte ich mit dieser eintönigen, ermüdenden Tätigkeit zu. Mittlerweile befand ich mich gut zweieinhalb Kilometer in Luftlinie von meinem Zimmer entfernt und hatte 704 Säulen kartografiert.
    Ich verspürte Hunger und Durst, war ausgelaugt und zunehmend verärgert. Doch ich dachte nicht daran, zu meinem Ausgangspunkt zurückzukehren. Trotzig behielt ich meinen Spiral-Kurs bei. Wenn mir das jemand als Phantasielosigkeit ankreiden wollte, sollte er.
    Obwohl ich mich weiterhin zwang, mein Umfeld genauestens zu betrachten und kein Detail zu übersehen, ließ ich wohl in meiner Aufmerksamkeit nach. Sonst hätte mich der Angriff nicht dermaßen überraschen können.
    Ein massiger Leib prallte mit ungeheurer Wucht gegen meinen Rücken, riss mich von den Beinen, schleuderte mich viele Meter weit. Wir überschlugen uns mehrfach, rollten über den kalten Fliesenboden, knallten so hart gegen eine Säule, dass ich beinahe die Besinnung verloren hätte.
    Der unbekannte Angreifer gönnte mir keine Sekunde, zu Atem zu kommen und mich zu orientieren. Er deckte mich mit einem Hagel von brutalen Schlägen und Tritten ein. Einigen konnte ich ausweichen, einige abblocken, doch die meisten trafen und fügten mir beträchtliche Schmerzen zu.
    Die Halle war erfüllt von unseren Schreien und Kampfgeräuschen. Sich immer weiter aufschaukelnde Echos verstärkten den Lärm noch um ein Vielfaches. Nach den langen Stunden vollkommener Stille wirkte jedes Keuchen, jedes Stöhnen, jedes Begleitgeräusch eines Fausthiebs unerträglich laut. Wie Donnerhall dröhnte es in meinen Ohren; wie eine Serie von Explosionen trafen mich die erbarmungslosen Attacken des Unbekannten, der mich so heimtückisch überfallen hatte.
    Zu Gegenangriffen kam ich kaum. Vermochte mir höchstens so viel Luft zu verschaffen, dass ich manche Aktionen früh genug erkennen und mich durch rasches Wegducken einigermaßen schützen konnte.
    Doch bestand überhaupt kein Zweifel über den Ausgang des Kampfes. Ich würde verlieren, und es lag ganz allein im Ermessen des anderen, wie weit er mich demütigen, wie schwer er mich verletzen wollte.
    Er hatte ungefähr meine Größe, überragte mich eventuell um ein paar Zentimeter. Allerdings war er in den Schultern noch bedeutend breiter als ich und insgesamt stämmiger: ein
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