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226 - Das Schädeldorf

226 - Das Schädeldorf

Titel: 226 - Das Schädeldorf
Autoren: Mia Zorn
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nichts anderes übrig, als sich von den Ratten, Mäusen und Würmern im unterirdischen Tunnel zu ernähren. Doch selbst ihr Bestand schien immer spärlicher zu werden.
    In den vergangenen Tagen war niemand nach draußen gegangen, um nach Nahrung zu suchen. Ein Eissturm tobte über die verwüstete Oberfläche. Lann Than wärmte sich zusammen mit einem Dutzend Männern und Frauen an einem prasselnden Feuer im Kuppelraum. In diesen mündeten die beiden Hauptschächte und der Zugang zur Schleusenhalle. Es war später Abend und die meisten hatten sich in ihre Kammern und Höhlen zurückgezogen.
    »Morgen muss jemand von uns zum Fluss, sonst werden wir alle sterben!« Lon Than war nicht nur der älteste Enkel von Lann, sondern auch der Älteste der Tunnelleute. Erwartungsvoll blickte er die Menschen am Feuer an.
    »Ich werde gehen«, sagte Lann Than. »Doch jemand sollte mich begleiten. Die Chance zu überleben ist größer, wenn wir zu zweit sind.«
    Der alte Lon seufzte. »Gut. Wer geht mit unserem Kleinen Bruder?«
    »Ich werde ihn begleiten!« Ein Mann, der bis zum Kinn in eine rote Decke eingehüllt war, lächelte in Lanns Richtung. »Ob ich nun hier unten am Hunger krepiere oder oben erfriere, bleibt sich gleich«, meinte er trocken.
    Während man sich noch über die notwendige Ausrüstung unterhielt, ertönte aus der Schleusenhalle das schmatzende Geräusch einer sich öffnenden Tür. Überrascht schaute die Gruppe auf. Seit heute Morgen, als der letzte Patient an den Folgen eines Wundfiebers gestorben war, hielt sich niemand mehr in der Halle auf. Jetzt sahen sie keine zwanzig Schritte vom Feuer entfernt seltsame Gestalten im grünlichen Licht der Schleusenkammer. Alarmiert griffen die Menschen nach ihren Waffen.
    Nur Lann Than nicht. Er sprang auf und rief mit lauter Stimme: »Sevgil’im!«
    »Ytim’len, bist du das?« Die Hydritin, die gekommen war, um die versiegelte Forschungsstation wieder in Betrieb zu nehmen, wandte sich ihren beiden Begleitern zu. »Er ist einer von uns! Kommt!«
    Zielstrebig gingen sie auf die Lungenatmer am Feuer zu. Lann Than, der noch gar nicht fassen konnte, Sevgil’im wieder zu sehen und damit sogar die Rettung für all diese Halbverhungerten im Tunnel nahe zu wissen, atmete schwer. Die Tunnelleute interpretierten nicht nur sein Verhalten falsch, sie waren auch voller Entsetzen: Da näherten sich ihnen drei fremdartige Wesen mit grünlicher Schuppenhaut und glotzenden Augen! Statt einer Stirn trennte eine dicke Wulst das Gesicht vom Haaransatz, und aus ihren Köpfen ragten flossenähnliche Gebilde. Das waren keine Menschen, sondern Ungeheuer, die sich irgendwie Zugang in das unterirdische System verschafft hatten!
    Eine Sekunde später krachten Schüsse.
    Obwohl Lann Than vor Entsetzen aufschrie und seinem Nebenmann das Gewehr aus der Hand schlug, konnte er den Tod der beiden Hydriten nicht verhindern. Auch Sevgil’im ging getroffen zu Boden. Lann stellte sich schützend vor sie. »Nicht!«, rief er. »Hört auf zu schießen!«
    »Aus dem Weg, Than!«, brüllte der Mann, der sich ihm noch vor wenigen Minuten als Begleiter angeboten hatte. Lann Than blickte in die panischen Gesichter. Wie sollte er den ängstlichen Menschen erklären, wer Sevgil’im war? Wie ihnen sagen, dass auch er zu den Hydriten gehörte? Es war sinnlos! Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, half er der verletzten Hydritin auf die Beine und brachte sie in die Schleusenhalle.
    »Schieß doch, schieß auf dieses Ding!«, hörte er in seinem Rücken die Stimme Lon Thans. Doch da legte Lann schon seine flache Hand auf das Schließventil der Tür im Innenraum der Schleusenhalle.
    Als sie in Sicherheit waren, holte er Verbandszeug und kümmerte sich um Sevgil’ims Verletzung. »Du musst zurück nach Karsi’signak, so schnell wie möglich!« , sagte er besorgt. Schon wollte er die Tür zur Flutkammer öffnen, um seine Schwester zu ihrer Transportqualle zu bringen, doch sie hielt ihn zurück.
    »Nein, warte! Ich werde wahrscheinlich nie wieder zurückkommen. Nach diesem Vorfall wird der HydRat die Station aufgeben! Komm mit mir, Ytim’len! Ich erlaube dir in meiner Hülle zu wohnen, bis wir für dich eine neue gezüchtet haben.«
    Lann schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann nicht, Schwester. Unmöglich!«
    Als die Hydritin nicht locker ließ, setzte sich Lann neben sie und erzählte ihr seine Geschichte. Vergessen waren die Tunnelleute und die toten Hydriten, vergessen sogar Sevgil’ims Wunde. Als er geendet
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