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218 - Nefertari

218 - Nefertari

Titel: 218 - Nefertari
Autoren: Christian Schwarz
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der den jungen Mann vom erhöht liegenden Heck aus beobachtete, nickte anerkennend. Er wird immer geschickter im Umgang mit der Waffe, dachte der Daa’mure, der einst vom Sol den Auftrag erhalten hatte, Daa’tan zu erziehen und zu beschützen. Das kann nur von Vorteil sein, denn ich kann mich nicht immer vor ihn stellen…
    Die Blicke des Echsenabkömmlings, der hier in der Gestalt eines bärtigen Hünen auftrat, wanderten nach vorne zum Bug. Die STERN DES SÜDENS, wie das Handelsschiff hieß, fuhr gegen die Strömung des Nils nach Süden. Momentan stand der Wind ungünstig, sodass die Sklaven rudern mussten.
    Schilfbesetzte Ufer zogen vorbei, dahinter zeigten sich ganze Palmenwälder, die aus sattem Grün herausragten. Der fruchtbare Streifen entlang des Nils zog sich so weit ins Land hinein, dass Grao von der angrenzenden Wüste momentan nichts sah. Eine Herde Efranten, die im Nil badete, trompetete herüber.
    Grao fühlte sich wohl. Und das lag nicht nur an der stechenden Sonne, die ihm angenehme Wärme bescherte. Vor allem lag es daran, dass er es geschafft hatte, die überaus lästige Aruula in eine Grabkammer zu sperren und sie dort ihrem Schicksal zu überlassen, das im Wesentlichen aus Verhungern und Verdursten bestehen würde. Dass er deswegen den Schiffseigner, den Grabräuber Hadban, hatte umbringen müssen, focht ihn nicht an. [1] Im Gegenteil: Einer weniger, der ihnen auf ihrer Suche nach den Fliegenden Städten, die Daa’tan erobern wollte, ins Handwerk pfuschen konnte. Wieder einmal führte sich Grao selbst vor Augen, wie sehr das menschliche Prinzip der Emotionen seinen daa’murischen Verstand inzwischen unterwandert hatte. Anfangs hatte er sich dagegen gesträubt. Jetzt war er beinahe schon süchtig danach geworden, Hass, Verachtung, Triumph, Leidenschaft… die ganze Palette menschlicher Sinne zu erfahren. Dass er sich Daa’tan nun wieder allein und ohne Störungen widmen konnte, erfüllte ihn mit einer Mischung aus Zufriedenheit und… ja, was war es? Hingabe? Zuneigung? Er konnte die Emotion noch nicht exakt definieren.
    Plötzlich war Grao gespannte Aufmerksamkeit. Er konnte den nahenden Ärger förmlich riechen. Ismail, der Schiffsführer, tuschelte mit seinem Stellvertreter Yussuf. Dann scharte der kleine drahtige Mann mit der Augenklappe, dem roten Turban, den hüftlangen Haaren und dem dünnen Bart einige Männer um sich. Geschlossen marschierten sie auf Grao zu.
    Ismail hakte die Daumen in den Bund seiner halblangen gelben Pluderhose, über der er eine blaue, ärmellose Weste mit goldenen Borten trug. Er sah herausfordernd zu dem Daa’muren hoch. »He, du da, wir müssen mit euch reden.«
    Daa’tan unterbrach sofort seine Übungen. Er drückte sich an den schwer bewaffneten Matrosen vorbei, sprang behände die Treppe hoch und stellte sich, auf Nuntimor gestützt, neben Grao.
    »Was willst du?«, fragte der hünenhafte Gestaltwandler ruhig. Ihm war jede Angst fremd.
    Ismail legte wie unabsichtlich die Hand auf seinen Schwertgriff. »Wir haben beschlossen, euch nicht mehr weiter nach Süden zu schippern. Wir steuern das Ufer an und setzen euch ab. Ihr bekommt Wasser und Nahrung für drei Tage und könnt euch dann ein anderes Schiff suchen. Die Geschichtenerzählerin bleibt hier. Die können wir sicher gut verkaufen.«
    Daa’tan kniff die Augen zusammen. »Hast du etwas zu viel Sonne abbekommen, Kapitaan? Entweder du fährst uns weiter oder ich haue dich in Fetzen.«
    Der Schiffsführer zögerte einen Moment. »Bei Reephis. Ihr seid zwei. Aber wir sind nur eine Armee. Doppelte Überlegenheit also.« Dann begann er brüllend zu lachen. Die Männer hinter ihm stimmten ein.
    Grao bemerkte, dass sich die Faust seines Schützlings um den Schwertgriff ballte, dass er seinen Körper spannte. Er erhob sich und stellte sich halb vor Daa’tan, um den Jungen vor einer Dummheit zu bewahren. »Warum wollt ihr uns loswerden?«, fragte er. »Wir haben versprochen, euch reich zu belohnen, wenn wir die Fliegenden Städte finden.«
    »Ach ja? Und womit? Wisst ihr was? Wir trauen euch nicht. Nun, da Hadban tot ist, gehört das Schiff ohnehin mir. Und wir werden damit künftig Waren zwischen El Kahira und El Assud transportieren und sichere Pjaster damit verdienen. Keine Luftpaläste, wie ihr sie uns versprecht.«
    Während Ismail auf eine Antwort und eine Kapitulation wartete, schob Daa’tan den Daa’muren zur Seite, hob Nuntimor und sprang vom Aufbau herunter. Er landete dicht neben dem
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