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218 - Nefertari

218 - Nefertari

Titel: 218 - Nefertari
Autoren: Christian Schwarz
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Schiffsführer. Ismail prallte erschrocken zurück. Da seine Leute direkt hinter ihm standen, stieß er gegen sie und kam nicht weit genug weg. Der Junge federte in den Knien ab. Noch in der Aufwärtsbewegung stach er nach Ismail.
    Der starrte verwundert auf das Schwert, das gut eine Unterarmlänge in seinem Oberbauch steckte. Die Finger der rechten Hand schlossen sich reflexartig um die extrem scharfe Klinge – und fielen einzeln ab. Gleichzeitig gurgelte Ismail. Mit dem Laut ergoss sich ein Schwall Blut aus seinem Mund direkt in Daa’tans Gesicht.
    »Du Sohn einer Hyeena!«, schrie der Junge, zog das Schwert aus dem Leib und hieb dem zusammenbrechenden Schiffsführer mit einem präzisen Schlag den Kopf ab. Dabei verletzte er noch den dahinter stehenden Matrosen an der Brust.
    Der brüllte auf, während Ismails Kopf über Deck rollte und mit gebrochenem Auge am Mast liegen blieb. Die Matrosen standen wie erstarrt, keiner wagte Widerstand. Zumal sich nun Grao neben den Jungen stellte und ganz kurz seine Echsengestalt annahm. Einen Moment lang wurde die Sonne von glänzenden, grünblauen Schuppen reflektiert.
    Den Matrosen fielen fast die Augen aus den Höhlen. Einige zitterten wie Palmblätter im Sandsturm, andere sanken auf die Knie. »Verschone uns, Deemon«, bettelte Yussuf, ein großer dicklicher Mann, der unversehens Nuntimor an seiner Kehle fühlte. Seine Stimme brach fast. Dicke Tränen rannen aus seinen Augen. »Es war… ein Scherz, ja, ein übler Scherz, nichts weiter. Wir… bringen euch hin, wo ihr wollt.«
    »Natürlich tut ihr das«, sagte Daa’tan und grinste zufrieden. »Ich werde der Herr der Welt sein. Schon bald. Da werde ich mich doch nicht von einem Haufen schmutziger dummer Matrosen aufhalten lassen. Wer sich mir in den Weg stellt, stirbt. Und zur Abschreckung für alle wirst du jetzt den Kopf dieses Verräters an den Mast hängen. Verstanden?«
    Yussuf nickte eifrig, so gut es Nuntimor eben zuließ. Als Daa’tan ihn frei gab, nahm er das abgeschlagene Haupt und verknotete die langen Haare um einen in den Mast eingeschlagenen Nagel.
    Den Torso ließ Daa’tan über Bord werfen. Sofort brodelte das Wasser, als sich riesige Fische darum stritten.
    »Baarsche«, flüsterte einer der Matrosen. »Es sind tatsächlich Baarsche. Seit wann kommen die Biester so weit in den Norden?«
    »Ja, ungewöhnlich«, erwiderte ein Zweiter.
    Daa’tan scheuchte die Besatzung auf ihre Posten zurück. Was kümmerten ihn ein paar Fische?
    Nach seiner Machtdemonstration wagte es keiner der Matrosen mehr, aufzumucken. Die nächsten Tage vergingen nahezu ereignislos und Daa’tan genoss es, sich Stunden lang von Sherzade der Dreiundsechzigsten, die ein Nilross zur Mutter und einen Efranten zum Vater gehabt haben musste, Geschichten erzählen zu lassen. Sie hatten die legendäre Geschichtenerzählerin aus dem Harem des Padischahs von El Assud entführt, weil sie in ihren Erzählungen etwas über die Fliegenden Städte sagen konnte.
    Sherzade, die nachts gerne an Deck kam, um die kühle Luft zu genießen, die sie etwas freier atmen ließ, saß auf zwei nebeneinander geschobenen Stühlen am Mast. Sie betrachtete den funkelnden Sternenhimmel, aus dem einst der Stein Allahs gefallen war und aus der Welt eine andere gemacht hatte. Sie lauschte dem leisen Knattern des Großsegels im Wind und dem sanften Rauschen, mit dem sich die Wellen am langsam dahin gleitenden Schiffsrumpf brachen. Es war wunderschön hier draußen, trotzdem wäre sie lieber wieder in ihrer vertrauten Umgebung gewesen, dem Harem des Padischahs. Dort hatte sie alle Bequemlichkeiten, die sie brauchte.
    Sherzade seufzte. Sie fühlte Traurigkeit und wischte sich zwei Tränen von der Wange. Ein dumpfes Pochen schreckte sie auf. Sie hob den Kopf. Was war das?
    Etwas stieß gegen den Schiffsrumpf. Etwas Großes. Denn die STERN DES SÜDENS begann leicht zu zittern. Neugierig geworden, rappelte sich Sherzade hoch. Sie watschelte die vier Schritte vom Mast zur Reling. Das schaffte sie gerade so, ohne sich festhalten zu müssen.
    Vorsichtig beugte sie sich über den Rand. Unergründliches, dunkles, wunderbar riechendes Wasser zog unter ihr dahin. Sie starrte in die Wellen, die vom Schiffsrumpf weg liefen und kleine weiße Schaumkronen hinterließen. Die Sterne, die sich in der schwarzen Fläche spiegelten, schienen darauf zu tanzen.
    Wieder schlug etwas gegen das Schiff. Direkt unter ihr! Sherzade verlor das Gleichgewicht. Sie kippte mit dem Oberkörper über den
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