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2109 - Tagebuch der SOL

Titel: 2109 - Tagebuch der SOL
Autoren: Unbekannt
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Aber dies ist nicht mehr unsere Heimat, nicht einmal unser eigenes Schiff. Wir sind Gäste an Bord, und die Tradition kann nicht mehr so eingehalten werden, wie wir sie gewohnt sind. Wir müssen diese Auflösung mit anderen teilen, es wird nicht mehr unter uns bleiben. Eine verwässerte Tradition aber erfüllt keinen Sinn mehr und wird ... ja ... geradezu absurd."
    Stap Crumero hielt kurz inne, seine Gehirntentakel vibrierten.
    „Crom Harkanvolter hat sich gewünscht, das Außen zu sehen. Schenken wir ihm das. Entlassen wir ihn in einem Raumbegräbnis aus unserer Mitte und schicken ihn auf seine lange Reise mit unseren besten Wünschen."
    Nach einer Weile kam zögernd Beifall auf, und Stap wandte sich Shoy zu. „Das war es doch, was du wolltest, nicht wahr?"
    „Ja, sicher", antwortete Shoy. „Es überrascht mich, dass du dem zustimmst."
    „Dich wird noch eine Menge mehr überraschen. Warte ab!" Stap hob die Hände, und Ruhe kehrte ein. „Wir werden die Sitte der Raumbegräbnisse ab sofort beibehalten und uns ewig daran erinnern, dass Crom Harkanvolter der Erste war. Und wir werden nicht nur das tun. Ich werde sein Werk fortführen. Als sein Stellvertreter habe ich mehr Einblick in die Führung des Volkes als jeder andere, und daher werde ich die Bürde übernehmen und ab sofort das ehrenvolle Amt des Lord-Eunuchen bekleiden, mit allen Rechten und Pflichten."
    Nun konnte Shoy nicht mehr schweigen. „Aber das war nicht Crom Harkanvolters Wunsch!", rief er. „Er beauftragte mich damit!"
    Ungläubiges Gemurmel kam auf. Die ersten Mom'Serimer konnten bereits nicht mehr stillhalten. Vor allem Shoys Freunde wurden deutlich nervös.
    „Hast du einen Beweis dafür, Junge?", fragte Stap Crumero mit gespreizten Gehirntentakeln.
    „Zweifelst du etwa an meiner Aufrichtigkeit?", gab Shoy empört zurück.
    „Nun, ich weiß - wir alle wissen -, welche Schwierigkeiten du fortgesetzt machst!" Stap machte eine ausholende Geste. „Es verging kaum ein Segaf, an dem nicht über dich geredet wurde. Du gehst deine eigenen Wege, lehnst dich gegen jede Autorität auf und - weigerst dich zu lernen! Denkst du im Ernst, der Lord-Eunuch wäre so verantwortungslos, ausgerechnet einen Aufwiegler zum Nachfolger zu bestimmen?"
    „Ich habe eine ganze Menge gelernt, aber nicht über die Vergangenheit, sondern über die Gegenwart - das, was uns hier umgibt, dieses Schiff, seine Technik, seine Besatzung ... Das ist doch, was zählt!", verteidigte sich Shoy. „Wir haben so viel zu lernen - aber nicht von den Indoktrinatos, denn sie kennen unsere neue Welt nicht!"
    „Willst du etwa bestreiten, dass Crom Harkanvolter dich zu sich rufen ließ, und das mehrfach, um dich ins Gebet zu nehmen? Hat er jemals deutlich gemacht, dass er mit deinem Verhalten einverstanden ist?" Staps Fragen klangen süffisant.
    „Übe Nachsicht!", rief plötzlich Shoys Mutter wütend hinauf. „Shoy ist ein guter Junge, er ist intelligent und weiß eine Menge Dinge!"
    „Du sagst es!", fing der neue Lord-Eunuch das Stichwort auf. „Er ist ein Junge. Fast noch ein Kind! Er ist dieser Aufgabe nicht gewachsen, und das mache ich ihm nicht zum Vorwurf. Ich gestehe seiner Jugend zu, hitzköpfig zu sein, aber das ist nicht das geeignete Mittel, ein Volk anzuführen! Er besitzt keinerlei Erfahrung, keine Ausbildung, nichts!
    Er ist ein Herumtreiber, ein Streuner, der sich überall Wissensfetzen aufschnappt und mit seiner Großspurigkeit natürlich die Jugend begeistert. Aber ich frage jetzt die Erwachsenen: Wollt ihr das? Wollt ihr die Vorschriften eines Kindes annehmen, das sich kaum mehr an die Heimat erinnern kann? Alles zu seiner Zeit, sage ich, aber Shoy Carampo kann nicht lange genug warten! Er verwechselt das Amt des Lord-Eunuchen wohl mit einem Spielplatz, aber das ist es nun mal nicht. Dazu gehören Ernsthaftigkeit, Erfahrung und Weisheit."
    Shoy spürte, wie sein Hals sich zuschnürte. Seine Niederlage war nun nicht mehr aufzuhalten, und er musste einsehen, dass Stap Recht hatte. Wenn der Ältere ihn so leicht vorführen konnte, war er wirklich noch nicht so weit. Er erkannte es an der Haltung der erwachsenen anwesenden Artgenossen; die meisten zeigten zustimmende Mienen zu Staps Worten. Aber ganz kampflos würde er sich nicht ergeben.
    „Stap Crumero", sagte er laut, „du bist beinahe achtzehn Jahre alt. Wie lange wirst du das Volk führen können? Du hast bestenfalls noch zwei Jahre zu leben! Und denkst du, dass dein Geist noch flexibel genug ist, sich den
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