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2109 - Tagebuch der SOL

Titel: 2109 - Tagebuch der SOL
Autoren: Unbekannt
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du es nur willst! Und erzähl mir nicht, es geht nicht, weil du krank bist, das glaube ich einfach nicht."
    „Und doch ist es so", erwiderte der Lord-Eunuch müde. „Ich bin krank an der Seele, Shoy, und ich habe keine Lebenskraft mehr. Ich hätte niemals Nacht-Acht verlassen dürfen, sondern bei meiner Yessim bleiben müssen."
    „Aber Yessim starb doch schon vorher, Crom. Du darfst dich weder für ihren Tod noch für den Untergang von Nacht-Acht verantwortlich machen. Jeder hatte die freie Wahl, und das nur deswegen, weil du uns die Möglichkeit geschenkt hast, zu überleben. Wir werden dir dafür niemals genug danken können."
    Shoy trat an die Liege heran und tätschelte Croms faltige, dünne Hand.
    „Ich danke dir für diese Worte, und es erleichtert mir den Abschied. Ich will nicht gehen, ohne mein Volk in guten Händen zu wissen." Der Lord-Eunuch richtete sich unter Qualen auf. „Ich habe es nicht verkraftet, und auch das habe ich zu verantworten. Aber diesmal ist es allein meine Angelegenheit, ich habe gewählt. Ich habe keine Heimat mehr, und ich kann mich nicht von der Vergangenheit lösen. Sie hat mir alles bedeutet, junger Shoy.
    Dennoch wollte ich nicht, dass wir alle untergehen. Aber ich habe mich belogen, als ich glaubte, alles so einfach hinter mir lassen zu können. Ich habe geglaubt, meinem Traum folgen zu können, denn ich sehnte mich stets danach, eines Tages das Außen zu ergründen. Das Weltall zu sehen und Sterne, ferne Galaxien ... Doch manche Träume dürfen niemals zur Realität werden. Ich habe mein Ziel verloren, weil ich zu viel dafür aufgeben musste. Du magst es als Schwäche auslegen, aber so ist es nun einmal. Niemand wird daran etwas ändern können, und das ist auch nicht notwendig. Du hast gezeigt, dass das Volk der Mom'Serimer überleben kann und wird. Du besitzt Verantwortungsbewusstsein und repräsentierst die Zukunft."
    Shoy schluckte. „Was willst du damit sagen?"
    „Dass es Zeit wird, euch Jungen die Führung zu überlassen. Wir Alten hängen alle zu sehr an der Vergangenheit, das vergiftet nur den Überlebenswillen. Du hast mir aufgezeigt, dass ich mich zu sehr in meine persönliche Einstellung verrannt habe. Dabei wollte ich gewiss niemandem schaden, ich wollte mein Volk nur beschützen. Aber ich sehe ein, dass mein Weg nicht der richtige war. Auch aus diesem Grund kämpfe ich nicht mehr. Ich kann mich dieser neuen Welt nicht mehr anpassen, mein Herz hängt zu sehr in der Vergangenheit. Ich will keine Behinderung sein."
    Crom Harkanvolter richtete sich etwas auf.
    „Dennoch - ihr dürft nicht vergessen, dass ihr Mom'Serimer seid. Ihr könnt trotz allem etwas von den Alten lernen, denn sie besitzen eine größere Erfahrung als ihr. Sie wissen, was die Identität unseres Volkes ist. Schließt sie nicht aus, sonst werdet ihr eines Tages ebenso entwurzelt sein wie ich, weil ihr euch zu sehr von euch selbst gelöst habt. Du hast damit Recht gehabt, dass ihr lernen müsst, euch anzupassen - aber nicht um jeden Preis. Bitte versprich mir, dass ihr das Andenken an eure Herkunft bewahrt. Befolgt ESTARTUS Grundsätze."
    Für einen Moment schien der Alte sich zu erholen. Ein Funke seiner früheren Lebenskraft leuchtete in seinen Augen auf.
    „Das verspreche ich dir", sagte Shoy ernst. „Wir bewahren unsere Philosophie und unser Bewusstsein, dass wir Mom'Serimer sind, die Letzten eines Volkes mit großer Vergangenheit."
    „Sei behutsam mit deinen Artgenossen, Shoy. Ich zweifle nicht daran, dass du eines Tages der Anführer sein wirst, denn du besitzt alle Qualitäten und den nötigen Ehrgeiz. Aber handle bedachtsam und stürme nicht wild voran. Ihr habt Zeit - viel Zeit. Führe dein Volk langsam in die Zukunft, gib ihm Gelegenheit, sich an alle Änderungen zu gewöhnen. Sei nicht ungeduldig den Alten gegenüber, sie sind nicht immer vollends im Unrecht. Sie haben lediglich eine andere Sichtweise der Dinge, und manches davon sollte dir zu denken geben. Wäge stets ab und wähle den Mittelweg, der allen gerecht wird."
    Das viele Reden erschöpfte den Sterbenden zusehends. Der Funke in seinen Augen flackerte und erlosch. Seufzend sank er auf sein Lager zurück. „Es ist nun vorbei, Shoy Carampo. Ich lege das Erbe der Mom'Serimer in deine Hände.
    Ich vertraue darauf, dass du das Beste daraus machen wirst. Dann kann ich in Frieden sterben."
    „Crom, willst du denn wirklich nicht..."
    „Bitte stelle meine Entscheidung nicht in Frage. Respektiere meinen Wunsch."
    Shoy seufzte
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