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2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition)
Autoren: Jostein Gaarder
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Sonnenaufgänge und zwölf Sonnenuntergänge erlebt, und über den Wolken ist der Himmel immer blau.

DER BRIEF AUF DEM BILDSCHIRM
     
    Sie hatte mit ihrem Vater zu Abend gegessen und bald Gute Nacht gesagt. Er wollte die ganze Zeit nur darüber reden, dass sie den roten Ring niemals beim Skilaufen tragen dürfe – was, wenn sie ihn irgendwo im Schnee verloren hätte?
    Er war richtig geschockt, dass sie mit dem alten Ring in die Berge gegangen war. Wie schnell streifte man die Handschuhe ab und machte sich an Stiefeln und Skiern zu schaffen! Oder man griff in die Tasche, um das Handy herauszuholen, weil irgendeine SMS eintraf. Sie hatten doch darüber gesprochen, dass der Ring noch ein bisschen zu groß für sie war. Nur deshalb hatten sie ja gewartet, bis sie sechzehn wurde, bevor sie ihn ihr gaben.
    Jetzt saß sie vor dem Computer in ihrem blauen Mansardenzimmer. Sie hatte den Brief an ihre eigene Urenkelin geschrieben und in den Blog ihrer Umweltgruppe gestellt. Beim Schreiben waren ihr immer mehr Details des Briefes eingefallen, den Nova im Netz entdeckt hatte, aber das meiste hatte sie sich am Ende doch selbst ausgedacht.
    Sie las noch einmal, was sie geschrieben hatte:
     
    Liebe Nova,
     
    ich weiß nicht, wie es auf der Welt aussieht, wenn du das hier liest. Aber du weißt es. Du weißt, wie schlimm die Klimakatastrophe und wie reduziert die Natur inzwischen ist, und vielleicht weißt du sogar genau, welche Tier- und Pflanzenarten es nicht mehr gibt.
    Es fällt mir schwer, dir zu schreiben. Es ist nicht leicht, einem Menschen zu schreiben, der mehrere Generationen nach mir auf der Erde leben wird, und es wird nicht leichter dadurch, dass es sich um meine eigene Urenkelin handelt. Aber ich werde so ehrlich und aufrichtig sein, wie ich kann.
    Ich befinde mich hier im allerreichsten Winkel der Welt, und leider zählt hier immer noch nur eins: Wir nennen es Konsum oder sprechen von Bedarf. In manchen anderen Gesellschaften geht es eher um das Allernotwendigste, das die Menschen zum Leben brauchen. Wenn wir stattdessen Wörter wie »Konsum« und »Bedarf« benutzen, dann vielleicht deshalb, weil wir nicht einsehen wollen, dass es für alles eine obere Grenze gibt. Der Becher ist für uns niemals voll. Ein Wort, das fast nicht mehr im Gebrauch ist, ist das kleine Wort »genug«. Stattdessen werfen wir mit einem anderen, noch kürzeren Wort um uns: »mehr«.
     
    Du weißt besser als ich, was das für Konsequenzen haben wird, aber schon jetzt zieht sich das Eis über Grönland und der Arktis zurück, und die Jagd auf neue Öl- und Gasvorkommen hat bereits begonnen. Die Politiker sagen, wir müssten noch den letzten Tropfen Öl auf der Erde ausfindig machen, weil die Welt mehr Energie braucht. Die Welt braucht mehr Öl und Gas, um mehr Menschen aus der Armut zu retten, wird behauptet. Aber die Politiker lügen. Sie wissen selbst nur zu gut, dass es ihnen nicht um die Interessen der Armen geht. Ihnen ist vollkommen klar, dass sich die Lage der Ärmsten der Welt nur verschlimmern wird, wenn die Reichen noch mehr Öl und Kohle verbrennen. Es geht ausschließlich darum, dass die Ölgesellschaften und die reichsten Ölnationen mehr Profit machen wollen. Mehr, mehr! Es gibt keinen politischen Willen, neu entdeckte Vorkommen an Öl und Gas unangetastet zu lassen. Und leider fehlt es zugleich an einer entsprechenden öffentlichen Meinung. Wir sind eine egoistische Generation. Es gibt kaum Verständnis dafür, dass die Generationen, die nach uns kommen, auch etwas von der noch vorhandenen Energie benötigen werden. Ein weiteres Wort, das wir selten benutzen, ist »sparen«. Dagegen begegnen uns Ausdrücke wie »umweltbewusst«, »kohlendioxidneutral« und andere Worthülsen auf Schritt und Tritt. Wir haben eine Sprache, fast eine Narrensprache entwickelt, die mit unserer physischen Wirklichkeit kaum noch etwas zu tun hat.
    Gibt es in diesem Irrenhaus wirklich keine Nischen von Optimismus oder Tatkraft mehr? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich kann nur fragen, und ich weiß, dass du die Antwort kennst.
    Es ist nicht viel, was ich anzubieten habe, aber ich weiß einfach keine bessere Lösung, wie wir die Rohstoffe auf unserem Planeten für die Zukunft sichern könnten. Versuch einfach, dir Folgendes vorzustellen:
    Überall auf der Welt, wo Menschen unterwegs sind – in Feld und Wald, in Berg und Tal, auf Plätzen und an Straßenecken, in U- Bahn-Stationen und an Flughäfen –, werden grüne Automaten aufgestellt.
In diese
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