Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2084 - Noras Welt (German Edition)

2084 - Noras Welt (German Edition)

Titel: 2084 - Noras Welt (German Edition)
Autoren: Jostein Gaarder
Vom Netzwerk:
Automaten führt man seine Bank- oder Kreditkarte ein und sieht dafür die wunderbarsten Videoclips von Naturschauplätzen überall auf der Erde. Der eine möchte sich vielleicht eine bestimmte Pflanze oder ein bestimmtes Tier genauer ansehen, ein anderer interessiert sich vielleicht für ein besonderes Ökosystem, in dem Tausende von Arten leben.
Es geht darum, dass man immer nur das Stück Natur erleben darf, für das man die Verantwortung übernimmt. Alles Geld aus diesen Automaten – und auf der ganzen Welt könnte es Millionen davon geben – wird eingesetzt, um die Natur auf unserem Planeten zu retten. Zugleich aber nehmen die Benutzer der Automaten an einer Vielzahl von Lotterien und Glücksspielen teil.
    Es mag komisch klingen, aber vielleicht liegt die Zukunft der Welt in einer neuen Generation von Spielautomaten. Es tut weh, das zugeben zu müssen. Aber ich glaube, wir kommen nicht weiter, wenn wir die Natur des Menschen und unserer demokratischen Institutionen verleugnen.
     
    Es gibt so vieles, was ich über die Zukunft nicht weiß. Ich weiß nur, dass ich dazu beitragen will, sie zu gestalten. Und vielleicht habe ich gerade eben den ersten Schritt dazu getan.
     
    Mit lieben Grüßen und den allerbesten Wünschen für dich und die Welt, in der du aufwachsen und dein Leben leben wirst
     
    Deine Urgroßmutter Nora (Nyrud)
     
    In genau diesem Moment war Mitternacht vorüber, und sie hatte Geburtstag. Es war der 12. 12. 12. Sie staunte fast, dass nichts Besonderes geschah, als der Zeiger der Uhr die Zwölf passierte: dass unten bei der Tankstelle nicht zwei Autos zusammenstießen, dass kein Buch aus dem Bücherregal fiel oder zumindest eine Menge Schnee vom Dach rutschte.
    Aber schon kurz danach ging eine SMS ein, und sie war von Benjamin:
     
    Alles gut. Ester vor wenigen Minuten von kenianischen Soldaten befreit. Sie ist unversehrt, hat eben angerufen. Danke für moralische Unterstützung. Gruß, Benjamin. PS : Sie ist gut behandelt worden, durfte im Freien sitzen und war niemals an Händen und Füßen gefesselt. Hat mit den Geiselnehmern gewürfelt! Ich war übrigens Joggen. B.
     
    Nora seufzte erleichtert und spürte, wie ihr eine Träne in den Augenwinkel trat. Aber so leicht sollte Benjamin nicht davonkommen. Sie rief ihn an, und er meldete sich mit: »Bist du das, Nora?«
    »Ich war mir sicher, dass Ester freikommt, wenn erst mal der zwölfte Dezember ist.«
    »Wieso?«
    »Die Welt hat gerade eine Schleife gemacht, und wir haben die Schwelle zu einer neuen Zeitrechnung überschritten.«
    »Und warum?«
    »Ich glaube nicht, dass du das jetzt alles erklärt haben möchtest, aber ich bin gerade sechzehn geworden.«
    »Herzlichen Glückwunsch!«
    »Danke.«
    »Es ist nett, dass du gleich anrufst, Nora, aber jetzt wartest du vielleicht ein bisschen, bis du dich wieder bei mir meldest …«
    »Dann erzähl ich dir nur noch schnell was und stell dir eine kurze Frage.«
    »Bitte! Aber wir müssen uns wirklich kurz fassen.«
    »Ich hab dir doch schon erzählt, dass ich immer träume, ich wäre meine eigene Urenkelin … Jetzt hab ich sie auch in wachem Zustand gesehen. Kannst du noch immer garantieren, dass ich nicht krank bin?«
    »Du bist nicht krank, Nora. Außerdem …«
    »Ja?«
    »Vielleicht bist du nur gesünder als die meisten anderen. Vielleicht müssten mehr so sein wie du.«
    »Und wieso das?«
    »Wir sollten viel mehr unsere Nachkommen vor Augen haben, viel deutlicher die Anwesenheit derer spüren, die den Planeten einmal von uns erben werden.«
    »Das war schön gesagt!«
    »Und du hattest noch eine Frage?«
    »Äh … warum hast du einen Stern im Ohr?«
    Er lachte. »Den hab ich vor über dreißig Jahren von meiner Frau bekommen, nur wenige Tage nach Esters Geburt.«
    »Wunderbar.«
    »Ester bedeutet ›Stern‹. Und der alte Name bezieht sich nicht auf irgendeinen Feld-, Wald- und Wiesenstern, sondern auf den Morgenstern, die Venus.«
    »Ich komme mir total blöd vor.«
    »Warum das denn?«
    »Weil ich nicht von selbst draufgekommen bin. Trotzdem ist es schön.«
    »Gute Nacht, Nora.«
    »Gute Nacht, Benjamin.«
    »Moment noch, Nora!«
    »Ja?«
    »Kannst du mich von meiner Schweigepflicht entbinden?«
    »Ich hab nichts zu verbergen. Aber warum?«
    »Ich würde gern Ester von dir grüßen. Du erinnerst mich sehr an sie, als sie in deinem Alter war. Ihr habt dieselbe Offenheit und dieselbe Energie.«
    »Das gefällt mir.«
    »Streng genommen darf ich über Patienten allerdings nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher