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2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit

Titel: 2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit
Autoren: Unbekannt
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die aber unverzichtbarer Bestandteil seines Lebensalters waren. Mondra ging daran, die scheinbar nutzlosen Spielsachen im und um das Bett wie Fetische aufzubauen. Ihr schien es, als würde Delorian während dieses Rituals geradezu aufleben.
    Dabei mochte die Einbildung, das Wunschdenken, ein wenig mitspielen, das war ihr schon klar. Aber sie wusste, dass ihrem Kind diese Aktion weitaus mehr half als alles, was die Mediker mit dem Überlebenstank für ihn hätten tun können. Eine liebende Mutter brauchte keine technischen Hilfen, keine komplizierten Messgeräte, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, benötigte keine Dia- und Hologramme, um davon Delorians Zustand ablesen zu können. Wie es um ihn stand, das sagte ihr bereits das Gefühl. Und sie war sicher, dass es ihm bereits besser ging.
    Es war schon sehr viel Zeit seit seiner Befreiung vergangen. Delorian lebte gegen alle Voraussagen der Mediziner immer noch. Aber es gab noch etwas zu tun. Nun kam der wichtigste Akt des Rituals, auf den Mondra ihre ganze Hoffnung setzte. Diese Hoffnung war es, die die eigentliche Triebfeder ihrer Tat gewesen war.
    Sie wandte sich dem Tisch zu, auf dem eine braune Tonschale stand. Diese war zehn Zentimeter hoch und besaß einen Durchmesser von dreißig Zentimetern. Daraus erhob sich eine Gruppe von drei miniaturisierten, nur sieben Zentimeter hohen Orchideenbäumchen mit winzigen, lilafarbenen Blüten. Diese Zwergbäumchen waren eingebettet in ebenso zwergwüchsiges grünes Unterholz. Eine kleine Insel fremdartigen Lebens inmitten der kahlen, kalten mechanischen Welt der SOL. Der Ableger des Pflanzenvaters Arystes!
    Diese Tonschale stellte Mondra oberhalb Delorians Kopf in das Bettchen. Damit war alles getan, was sie für ihr Kind tun konnte. Ihre ganze Hoffnung begründete sich auf das Wissen, dass der Ableger des Arystes mehr als nur eine Pflanze war. Es war ein Lebewesen mit Seele. War es da verrückt und irrwitzig zu hoffen, dass etwas von der Kraft dieser Seele heilend, belebend, lebensrettend auf Delorian wirken könnte? Sie glaubte ganz fest daran, dass zwischen ihrem Kind und dem winzigen Ableger des Pflanzenvaters Arystes eine übernatürliche Verbindung bestand. Nun war in ihren Augen alles nur Erdenkliche getan. Mondra Diamond beugte sich lächelnd über das Kinderbett. „Sprich zu mir, Delorian", sagte sie leise zu ihrem Sohn. „Sprich zu mir auf dieselbe Weise, wie du es früher getan hast. Ich weiß, dass du das immer noch kannst." Aber der Knabe rührte sich nicht. Lag immer noch wie tot da. Nur wenn man genau hinsah und die Einbildungskraft einer liebendbesorgten, hoffnungsvollen Mutter wie Mondra besaß, konnte man das quälend langsame Pochen seines Herzens erkennen. „Ich liebe dich, Delorian", sagte sie. „Du darfst mich nicht verlassen." Delorian Rhodan gab weiterhin kein Lebenszeichen von sich. Aber etwas anderes passierte, nicht weniger Wundersames. Die lilafarbenen Orchideenbäumchen schienen sich zu recken und zu strecken. Und dann stießen sie eine Wolke süßlich duftenden Blütenstaubs aus. Diese senkte sich auf den nach wie vor reglos daliegenden Delorian herab und hüllte ihn ein. Die Wolke aus Blütenstaub zauberte einen Ausdruck der Seligkeit auf Mondras Gesicht. Sie atmete seinen süßen Duft begierig ein, als sei er ein lebenspendendes Aroma. Die junge Frau wusste, jetzt würde alles gut werden, auch wenn Delorian noch immer kein Lebenszeichen von sich gab. Aber das würde noch kommen, Mondra war sich da ganz sicher.
     
    *
     
    ES erschien anfangs als etwas schwächliche und geradezu orientierungslose Superintelligenz, die zu ihrer Festigung eine lange Regenerierungsphase benötigte. Deshalb nannte sich diese Superintelligenz selbst den Wanderer. Das lag unter anderem daran, dass der wahre Zeitpunkt ihrer Geburt verpasst wurde und sie eine ganze wichtige Entwicklungsphase nicht durchmachen konnte. Diese Phase wurde gewissermaßen übersprungen. Darum mangelte es ES anfangs an der Durchschlagskraft einer mächtigen Superintelligenz.
    DER CHRONIST VON ES
     
     
    Dritte Stunde: Ein Hauch ESTARTU
     
    Atlan blickte den Chronisten von ES an. „Wir brauchen eine Pause", sagte er. „Wir müssen uns erst einmal beraten."
    „Von mir aus", sagte der Chronist. Er wirkte leicht konsterniert. „Ich habe alle Zeit der Welt. Ihr seid es, die in Zugzwang sind. Euch rennt doch die Zeit davon." Der Weißhaarige setzte sich demonstrativ im Schneidersitz auf den Kokon, verschränkte die Arme vor der Brust
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