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2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit

Titel: 2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit
Autoren: Unbekannt
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Entscheidungen seid, habe ich mich zum Eingreifen entschieden. Offensichtlich benötigt ihr etwas Unterstützung, einen Antreiber, damit ihr etwas weiterbringt."
    „Was kannst du uns vorwerfen?" fragte Atlan herausfordernd. „Wir haben bisher alle von ES gestellten Forderungen erfüllt. Und zwar innerhalb der gestellten Frist."
    „Und das ist gut so, denn andernfalls gäbe es keine Menschheit mehr", sagte der Chronist sarkastisch. „Aber es mangelt euch an zusätzlicher Initiative. Hat sich einer von euch - etwa du, Atlan überhaupt schon einmal überlegt, ob nicht etwas zu machen wäre, ohne dass man dich mit der Nase darauf stößt? Ihr habt gewisse Voraussetzungen geschaffen, aber es gibt noch Unvollendetes, Unerledigtes, das förmlich danach schreit, zu einem Ende gebracht zu werden!"
    Atlan ahnte, worauf der Chronist anspielte. Sie hatten einen Ableger des Pflanzenvaters Arystes an Bord. Und sie hatten einen Kym geborgen. Das war zwar kein Kym-Jorier, wie ES ihnen aufgetragen hatte oder eben dieser Chronist im Namen von ES, aber immerhin ein „Ei", aus dem ein Kym-Jorier schlüpfen könnte. Und sie hatten, wie aufgetragen, sogar zeitgerecht das INSHARAM erreicht. Doch das waren Puzzle-Teile, von denen sie nicht wussten, wie sie zu handhaben und zusammenzusetzen waren. Sie waren auf neue Instruktionen angewiesen ... Oder doch nicht? War es so, wie der Chronist von ES andeutete? Erwartete die Superintelligenz von ihnen, dass sie von selbst auf die Lösung des Problems kamen? Offenbar war es wirklich so. Dies war der Tag der Entscheidung! „Ich verstehe", sagte Atlan. „Wir haben in deinen Augen versagt. Aber noch nicht komplett. Wir arbeiten an einer Lösung der umfangreichen Probleme. Der Kym wird gerade von drei unserer Spezialisten untersucht ..."
    „Das ist doch Unsinn!" fiel ihm der Chronist von ES ins Wort. „Diese sogenannten Spezialisten haben noch nichts erreicht. Und ich kann euch keine Gnadenfrist, keinen Aufschub gewähren. Erinnert euch meiner Botschaft, sie ist absolut ernst gemeint. Ich muss sie doch nicht wiederholen?"
    „Nein, das ist wohl nicht nötig", sagte Atlan. „Die Konsequenzen sind durchaus verstanden worden."
    Das war kein leeres Gerede. Alle Besatzungsmitglieder wussten, was vom Gelingen ihrer Mission abhing. Wenn die SOL versagte, würde alles zunichte gemacht werden, was sie bisher für unumstößliche Realität gehalten hatten. Eine andere Realität würde wahr werden. Eine Realität, in der es keine Menschheit gab und in der ES nie entstanden war, in der es ergo auch keinen Chronisten von ES gab. Und nun war offensichtlich jener Tag angebrochen, an dem sich entscheiden sollte, wie sich die Zukunft gestalten würde. Sie hatten es in der Hand, den Verlauf der nächsten 18 Millionen Jahre zu bestimmen.
    Was für eine Verantwortung! Klang die flüsternde Stimme des Logiksektors spöttisch, oder drückte sie so etwas wie Anerkennung aus? Atlan wunderte sich, dass der Extrasinn keine konkreten Aussagen traf. Weil du auch selbst 'etwas denken kannst, Narr! kam die nicht überraschende Reaktion. „Ich merke schon, ihr habt den Ernst der Lage wohl erkannt, Atlan", sagte der Chronist von ES ernst. „Aber ich erkenne ebenso, dass ihr ohne gewisse Anstöße nicht weiterkommt."
    „Bedeutet das, du wirst uns bei der Lösung unserer Probleme helfen, Chronist?" erkundigte sich Atlan. „Meine Befugnisse sind eingegrenzt", antwortete der Weißhaarige. „Und schließlich ist es eure Mission, nicht die meine oder gar die von ES." Bei diesen Worten kicherte der Chronist in sich hinein, so als amüsierten sie ihn ungemein. „Aber ich fürchte, dass ihr nicht von selbst hinter die grundlegendsten Dinge kommt."
    „Was wäre das zum Beispiel?" fragte Atlan. Die siganesengroße Gestalt des Weißbärtigen winkte ab. Wollte er damit dieses Thema nur aufschieben? „Da wäre noch eine Kleinigkeit zu meiner Person anzumerken", sagte er statt dessen. „Der heutige Tag wird der letzte sein, den ich erlebe. Denn heute endet für mich jegliche Geschichte."
    Atlan wusste nicht recht, was er von diesem Ausspruch halten sollte. Aber er war sicher, dass es sich nicht bloß um leeres Gerede handelte. Wenn ich nur wüsste, wo ich dieses Gesicht einordnen soll! dachte er verzweifelt. Sein Extrasinn schwieg, als wüsste er es auch nicht.
     
    *
     
    Bei der Geburt von ES haben eine Reihe ungünstiger Komponenten mitgespielt. Diese haben den Entstehungsprozess der jungen Superintelligenz negativ
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