Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2012 - Folge 7 - Ein Grab im Dschungel

2012 - Folge 7 - Ein Grab im Dschungel

Titel: 2012 - Folge 7 - Ein Grab im Dschungel
Autoren: Bastei
Vom Netzwerk:
Gendarmen dasselbe wie mit dem Arzt. Und als seine Geisterhände aus dessen Kopf glitten, erhob sich vom anderen Stuhl der Arzt, wenn auch noch eine Spur schwerfälliger als zu Lebzeiten.
    Als sie wenig später in ihrem schwarzen GMC Vandura – ein modifizierter und speziell ausgestatteter Van, der ihnen als mobiler Stützpunkt diente – davonfuhren, standen der Gendarm und der Arzt in der kalten Nacht vor der Tür und sahen ihnen nach, wie Schaufensterpuppen jedoch, noch blicklos und starr.
    Sie mussten sich an ihre neue Daseinsform erst noch gewöhnen. Obschon sie nicht lange Freude daran haben würden.
    Wenn überhaupt …

    »Tom? Darf ich dir eine Frage stellen?«
    »Natürlich. Jede.«
    »Auch eine … indiskrete?«
    Er hob im Halbdunkeln die Schultern. »Frag einfach.«
    Sie saßen in einem Zug, der sie nach Norden brachte. Einfach erst mal nach Norden, und es eilte nicht. Die Abendlandschaft – Felder und Wiesen, dazwischen Teiche und kleine Wälder – zog so langsam am Abteilfenster vorüber, als würde draußen ein Gemälde vorbeigetragen. Der Waggon schaukelte und rumpelte und jeder Stoß übertrug sich ungefedert bis in die Haarspitzen eines jeden Passagiers. Dementsprechend wenige Menschen waren an Bord der insgesamt ohnehin nur drei Eisenbahnwagen, die vermutlich schon im Zweiten Weltkrieg französische Soldaten an die Front gebracht hatten.
    Tom Ericson hatte nicht gewusst, dass es solche Bummelzüge überhaupt noch gab; er stoppte nicht nur in jedem Kuhkaff, sondern immer wieder auch mitten auf der Strecke, wo es nicht nur weit und breit kein Haus oder Gehöft gab, sondern noch nicht einmal ein Schild, das den jeweiligen Fleck als Haltestelle markierte.
    Tom war zufrieden. Hier würde sie weder jemand suchen noch finden. Und er hatte sich gerade entspannt zurückgelehnt – und sich mühsam eingeredet, die Sitzbank sei gar nicht so unbequem, wie sein Rücken es ihm weismachen wollte –, als Maria Luisa ihn ansprach.
    Er hatte geglaubt, sie schliefe schon wie ihr Bruder. Alejandro hatte sich jenseits des Mittelgangs auf eine Bank gelegt und erinnerte in seiner neuen schwarzweißen Jacke, der dunklen Jeans und den weißen Turnschuhen ein wenig an einen Pandabären, der knurrend und grummelnd davon träumte, dass dieser Zug ihn zum nächsten Bambusfeld brachte.
    »Warum seid ihr eigentlich geschieden, du und Abby?«, stellte Maria Luisa ihre »indiskrete« Frage, mit der Tom längst gerechnet und die er auch ein bisschen gefürchtet hatte.
    »Warum ist das wichtig für dich?«, entgegnete er ausweichend.
    »Man beantwortet doch keine Frage mit einer Gegenfrage«, rügte sie ihn.
    »Ich weiß.«
    »Also?«
    Tom schloss die Augen und ließ den Kopf nach hinten gegen die zerschlissene Sitzlehne sinken. Eine Geste, die nur dazu diente, ihm Zeit zum Überlegen zu verschaffen.
    Was sollte er ihr sagen? Die Wahrheit?
    Die Wahrheit kam nicht in Frage. Nicht, weil die Wahrheit eine lange Geschichte war; Zeit hätten sie ja gehabt. Aber die Wahrheit war vor allem auch eine unglaubliche Geschichte. Er wollte gar nicht wissen, was gerade Maria Luisa Suárez, deren Leben auf einem Fundament christlichen Glaubens beruhte, davon halten würde.
    Zwar hatte er nicht alles auf den Kopf gestellt, was Maria Luisas Kirche lehrte und was in der Bibel stand, und doch …
    Er schüttelte kaum merklich den Kopf. Es brachte nichts, darüber nachzugrübeln. Es hatte in über fünfzehn Jahren nichts gebracht, und es würde auch heute nichts bringen. Abgesehen davon vielleicht, dass auch Maria Luisa sich von ihm abwenden würde.
    »Wir haben nicht zusammengepasst«, versuchte er sich deshalb herauszureden. Das war auch nicht gelogen, im Gegenteil, es war die Wahrheit auf den allereinfachsten Nenner gebracht.
    »Das ist eine Floskel«, sagte Maria Luisa. Inzwischen war es fast dunkel im Waggon und Tom konnte die zierliche Spanierin, die ihm gegenübersaß, nur noch erahnen. Lediglich ihre Augen glänzten, wenn sich letztes Tageslicht von draußen darin fing.
    »Wir haben nicht mehr zusammengepasst«, wurde er ein kleines bisschen präziser und fügte hinzu: »Wir haben uns auseinandergelebt.« Auch das traf den Nagel genau auf den Kopf – vorausgesetzt, man kannte die lange Geschichte dahinter …
    »Hatte es mit deinem Beruf zu tun?«, hakte Maria Luisa nach. »Mit deinen Reisen und den Gefahren, in die du dich begeben hast?«
    »Auch«, gab er einsilbig zurück.
    »Du möchtest doch nicht darüber reden, hab ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher