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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten
Autoren: Brian D’Amato
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Mitgefühl besitzen, wissen Sie, dass es alles Gute an der Welt nichtig macht. Wenn Sie kein Mitgefühl besitzen, muss Ihnen der Schmerz noch zustoßen, damit Sie die Botschaft empfangen. Und wer anders denkt … nun, solche Leute können durchaus nette Menschen sein, aber sie neigen zur Selbsttäuschung. Sie sind wie Kinder, die an einer Kuhherde vorbeigefahren werden und tönen, wie süß die Kühe sind, aber gleichzeitig Hamburger essen. Der Schmerz kann nicht gelindert werden, er kann sich nicht bessern, er kann nicht wiedergutgemacht und nicht vergeben werden. Vor allem aber darf er nicht wiederholt werden.
    Das ist natürlich ein Klischee. Die Größenordung des Schmerzes, meine ich. Das ist, als sagte man: »mit Lichtgeschwindigkeit«. Von derLichtgeschwindigkeit weiß man zwar, und manchmal spricht man aus einer Position des absoluten Unverständnisses heraus über sie. Nur dass es beim Schmerz anders als bei der Lichtgeschwindigkeit einen guten Grund für das Unverständnis gibt, denn in dem Augenblick, in dem man es zu verstehen begänne, würde man einfach aufgeben. Man würde aus dem Zimmer fliehen und sich in einer leeren Badewanne verstecken. Und nur mit Hilfe massiver Selbsttäuschung käme man wieder in die Lage, jemals wieder irgendetwas zu tun.
    Nun, bisher mag diese Selbsttäuschung ja erforderlich gewesen sein, doch jetzt ist das Ende machbar geworden. Und wir wissen, dass es genau das Richtige wäre, dieses Ende herbeizuführen …
    Hoppla.
    Ich schwankte. Ich nahm den Blick vom Horizont und kämpfte ums Gleichgewicht. Besser. Verdammt. Ich hörte die Ungeborenen immer noch schreien.
    Und das ist ja auch kein Wunder, dachte ich. Wir zerren sie in die Welt, geben ihnen neun Tonnen stinkenden Mist in die eine Hand und ein halbes Milligramm leuchtendes Zeug in die andere, und dann wollen wir, dass sie so tun, als hätten sie ein anständiges Geschäft gemacht. Die Leute sind sich einig, einen Fötus abzutreiben, dessen Leben unweigerlich eine einzige Qual sein müsste, der zum Beispiel mit Harlekin-Ichthyose auf die Welt käme, aber sie vernachlässigen es, den Schwangerschaftsabbruch auch bei denen vorzunehmen, die mit Quotidianalgesie geboren würden, mit dem Syndrom des alltäglichen Schmerzes.
    Die Sache ist die, man hat nicht einmal eine Pflicht, jedem etwas Nettes zu tun, schon gar nicht jemandem, der noch gar nicht geboren ist. Aber man ist verpflichtet, ihnen keine Schmerzen zuzufügen. Und ihnen Bewusstsein zu geben wird ihnen definitiv irgendwann Schmerzen bereiten. Bewusstsein mag einer der vielen schmutzigen Tricks sein, mit deren Hilfe die DNS sich vermehrt, aber das heißt noch lange nicht, dass wir darauf reinfallen müssen. Für uns braucht das Bewusstsein nichts weiter zu sein als ein Fehler.
    Ich nahm einen Schluck Cruzan.
    An 4 Ahau, 8 Dunkelheit, 0.0.0.0.0, dem 13. August 3113 v. Chr.,schlossen die Alten einen Bund mit ihren Ahnen, ihnen Nachkommen zu geben. Es sollte Nachkommen geben, die sie nährten, sie priesen, sie in Erinnerung behielten und ihnen vor allem den Schnaps des Schmerzes zukomme ließen. Je’elsaj ist für uns, yaj ist für die Raucher. Sie lieben unseren Schmerz, wie Vinophile einen 1947er Haut Brion lieben, ein Schmetterling Zuckerwasser und NASCAR -Fans eine Karambolage.
    Doch der Bund galt nur so und so lange. Sie müssen den Rauchern – oder Ahnen oder Göttern, wie immer Sie es nennen wollen – genau das geben, was Sie ihnen schulden, aber Sie brauchen ihnen kein Fitzelchen mehr zu schenken.
    Und die Großen Addierer, die Wissenden, hatten ausgerechnet, dass 4 Ahau der Tag wäre, an dem alle Verbindlichkeiten aus diesem makabren Geschäft erfüllt wären. Danach war es Zeit, für die Nachkommenden das Richtige zu tun.
    Ich lehnte mich zurück. Ich ließ die Finger knacken und blickte mich um. Der Hund mit der Stimme wie der Wüstenhund hatte zu bellen aufgehört. Noch ein paar Minuten, und das Sonnenlicht kroch auf meinen Tisch. Ich winkte der Kellnerin.
    Die Hauptaufgabe eines Addierers, überlegte ich, besteht nicht darin, das Spiel zu beherrschen oder mit dem Tzam lic umgehen zu können. Seine eigentliche Verantwortung besteht vielmehr darin, die Welt abzuwägen, ohne sich von Sentimentalität den Blick verstellen zu lassen, ohne seine ganze Energie auf Wunschdenken zu verschwenden, auf abergläubische Geheimmittel, selektive Tatsachenleugnung und alles andere, was Normale so tun. Man hat die Pflicht, den Dingen ungeschminkt ins Auge zu blicken
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