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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren
Autoren: Jules Verne
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Harpunenschleudern und Geschütze für explodierende Kugeln, denen selbst die stärksten Tiere nicht widerstehen dürften. Ned Land legte lediglich seine Harpune zurecht.
    Um sechs Uhr begann der Tag zu grauen und mit dem ersten Schimmer der Morgendämmerung verschwand der elektrische Glanz des Tieres. Gegen sieben Uhr war es völlig hell, doch über der Wasserfläche lag dichter Morgennebel, der sich nur schwer hob. Aber selbst als bis zum Horizont wieder klare Sicht herrschte, blieb das Tier unsichtbar. Dann meldete wie am Abend zuvor der Kanadier : »Das Ding backbord voraus!«
    Und richtig: Dort tauchte in einer Entfernung von 1,5 sm der schwärzliche Körper des Tieres aus dem Wasser. Sein Schwanz peitschte die Wellen und erzeugte eine weiß schäumende, endlos breite Kielspur, als es seine Bahn zog. Die Abraham Lincoln kam jetzt nahe genug heran, dass man die Länge schätzen konnte (wohl 90 m) und auch sah, wie das Tier aus seinen beiden Luftlöchern Wasserdampfstrahlen in mindestens 40 m Höhe schleuderte. Ein derartiger Atemvorgang bestätigte die Klassifizierung, die ich nach den bisherigen Angaben bereits gemacht hatte. Nur die Familie blieb, wie gesagt, noch unklar, aber auch sie hoffte ich, mit Gottes und des Kommandanten Hilfe bald dingfest zu machen.
    Farragut ließ jetzt die Kessel unter Druck setzen, was bedeutete, dass die Stunde des Kampfes geschlagen hatte. Hurrageschrei der Mannschaft belohnte seinen Entschluss. Bereits nach wenigen Augenblicken zitterten die Deckplanken unter dem gestauten Druck der Kessel und die Fregatte legte mit voller Kraft voraus auf das Tier los. Der Narwal ließ uns bis auf eine halbe Kabellänge herankommen, drehte dann still ab und ließ sich verfolgen, immer gleichen Abstand haltend. Nach 45 Minuten Jagd hatten wir genau nichts erreicht und es war klar, dass wir dieses Tier nur mit seinem Einverständnis oder mit List fangen würden.
    Ned Land schlug vor, sich ganz vorn im Bug mit seiner Harpune zu postieren. Farragut ließ den Dampfdruck noch weiter erhöhen und die Abraham Lincoln machte jetzt die abenteuerliche Geschwindigkeit von 18 kn. Aber das Biest vor uns hielt spielend die gleiche Geschwindigkeit. Nach einer weiteren Stunde war die Wut der Mannschaft auf dem Siedepunkt.
    Farragut ließ den Ersten Ingenieur kommen.
    »Haben Sie den höchsten Dampfdruck?«
    »Jawohl.«
    »Klappen gestellt?«
    »Auf 6,5 at.«
    »Stellen Sie sie auf zehn!«
    Ich wandte mich an Conseil, als ich diesen Befehl hörte. »Weißt du, dass wir wahrscheinlich mit einer Kesselexplosion in die Luft gejagt werden?«
    »Wie es Monsieur beliebt«, antwortete er.
    Wie zum Scherz ließ uns das Tier manchmal näher herankommen, sodass Ned Land schon die Harpune schwang und brüllte: »Wir haben ihn! Wir haben ihn!«, aber dann zischte es plötzlich doppelt so rasch davon. Das sinnlose Manöver dauerte bis zum Mittag, dann endlich sagte Farragut: »O. k. Schon gut! Verstanden! Das Mistvieh ist tatsächlich schneller als die Abraham Lincoln. Dann wollen wir doch mal sehen, wie ihm unsere Spitzgeschosse schmecken.«
    Der erste Schuss ging meterhoch über das Tier hinweg.
    »Ein anderer an die Kanone!« brüllte Farragut. »500 Dollar dem, der das Vieh trifft!«
    Ein alter Graubart trat heran, ein ruhiger, kalter Zieler, der richtete und visierte lange. Sein Schuss war besser, aber das Geschoss prallte an der runden Oberfläche des Tieres ab.
    »Fuckinsonofabitch!«, schrie der Alte außer sich vor Zorn. »Der Schuft ist faustdick gepanzert!«
    Auch Farragut fluchte gottserbärmlich, ließ wieder aufheizen und wollte verfolgen, bis ihm die Kessel platzten. Er hoffte darauf, dass das Tier ermüden würde, dass es sich mit der Ausdauer einer Dampfmaschine nicht messen könnte.
    Aber mit all diesen Hoffnungen war es nichts. Zwar kämpfte die Fregatte tüchtig mit und lief an diesem 6.11. bis zum Abend mindestens 500 km, aber das Tier blieb unerreichbar. Mit der Dunkelheit kam das Wesen wieder aus unserem Blickfeld und ich fürchtete schon, unsere Expedition sei endgültig zu Ende, als sich um 22.50 Uhr der elektrische Lichtkreis wieder zeigte, drei Seemeilen vor der Fregatte, rein und stark wie in der vergangenen Nacht.
    Der Narwal schien jetzt unbeweglich. Schlief er? Walfänger greifen ihre Beute oft mit großem Erfolg an, wenn die Tiere auf offener See schlafen. Ned Land nahm seinen Posten am Bugspriet wieder ein. Die Fregatte pirschte sich geräuschlos immer näher an das leuchtende Oval heran. Als
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