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2 ½ Punkte Hoffnung

2 ½ Punkte Hoffnung

Titel: 2 ½ Punkte Hoffnung
Autoren: Gretchen Olson
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Konzentrationslager ankommen, erzählt Guido Giosué, dass sie ein Spiel spielen, und wenn sie gewinnen, bekommen sie den ersten Preis. »Und was ist das?«, fragt Giosué. Guido nennt Joshuas Lieblingsspielzeug, einen Panzer. »Aber ich hab doch schon einen«, antwortet Giosué.
    »Einen echten«, antwortet Guido ganz schnell und erklärt die Regeln: Sie müssen tausend Punkte zusammenbringen, indem sie nicht um etwas zu essen bitten, oder darum, Mama sehen oder nach Hause zu dürfen. Ein einfaches Stück Brot ohne Marmelade macht sechzig Punkte.
    »Sind sechzig Punkte viel?«, fragt Giosué.
    »Aber sicher doch«, entgegnet sein Vater. »Und wenn du dich den ganzen Tag versteckt halten kannst, gibt das hundertzwanzig Punkte.«
    Immer, wenn ich um Giosués Leben fürchtete, hatte sein Vater eine neue kluge Idee. Jedesmal, wenn Giosué Zweifel an dem Spiel hatte oder entsetzliche Gerüchte wiederholte, schüttelte Guido eine perfekte Antwort aus dem Ärmel oder verteilte weitere Punkte.
    Danke,
dachte ich und wünschte, Guido könnte mich hören.
Du bist ein umwerfender Vater.
    Am Ende des Films rückt die Armee der Vereinigten Staaten ein und die Deutschen stopfen wütend weitere jüdischeHäftlinge in Lastwagen, um noch schnell ein paar Ladungen loszuwerden. Guido ist außer sich. In aller Eile versteckt er Giosué und schärft ihm ein, den kleinen Schrank ja nicht zu verlassen; er sagt, sie hätten die tausend Punkte verdient und damit den Hauptpreis gewonnen, den Panzer. Dann verschwindet er, verkleidet als Frau, auf der Suche nach Dora, verzweifelt, er ruft sie, er brüllt, sie solle aus dem anfahrenden Wagen fliehen. Als er sie warnt, wird er entdeckt und festgenommen. Ein Nazisoldat treibt ihn in eine nahegelegene Gasse. Sie verschwinden in der Dunkelheit.
    Ein Schuss fällt.
    Oh nein!
Tränen traten mir in die Augen und kullerten auf mein leeres Blatt.
    Das Konzentrationslager ist verlassen. Stille. Feuer lodern. Bisher versteckte Häftlinge tauchen auf und Giosué steigt aus seinem Schrank. Plötzlich biegt ein US-Panzer um die Ecke und Giosué macht große Augen. »Es stimmt!«, ruft er. Der Panzer hält genau vor ihm und ein Soldat springt heraus, der Englisch spricht. »Mal ’ne Runde mitfahren?«, fragt er Giosué.
    Die ganze Klasse fing an zu applaudieren. Mir schnürte sich die Kehle zu und meine Augen brannten.
    Als der Panzer über die Straße mit den vielen befreiten Häftlingen fährt, entdeckt Giosué in der Menge seine Mutter. »Mama!«, ruft er und der Soldat reicht ihn hinab in die Arme seiner Mutter. Sie setzen sich an den Straßenrand, umarmen und küssen sich. »Wir haben gewonnen«, verkündet Giosué. »Wir waren zuerst am Ziel.« Dann erzählt uns eine Männerstimme: »Das ist meine Geschichte. Das ist das Opfer, das mein Vater gebracht hat. Das war sein Geschenk für mich.«
    Ich zitterte und merkte, dass Mr. Hudson den Fernseher ausgeschaltet hatte. Das Zimmer war noch dunkel, aber ich konnte erkennen, dass er sich gegen das Fahrgestell des Fernsehers lehnte, sein Kopf war gesenkt. Meine Nase lief, aber ich machte keine Anstalten, sie abzuwischen. Irgendwer schniefte, seufzte. Ein Husten.
    »Tut mir leid.« Ganz vorsichtig brach Mr. Hudson das Schweigen. »Ich habe das hier nicht gerade gut geplant.« Er sah auf die Uhr. »Gleich wird es klingeln, und etwas so Ernstes hat mehr Zeit verdient. Es wird euch vermutlich ein wenig seltsam vorkommen, mit Kindern nach Hause zu gehen, die keine Ahnung davon haben, was ihr gerade durchgemacht habt. Konzentriert euch, wenn ihr könnt; versucht euch zu erinnern, was ihr gesehen habt; lasst es einsinken; denkt an die Fragen, die ihr habt; sprecht mit euren Eltern, denn die haben es erlaubt, dass wir diesen Film ansehen.«
    Es klingelte, aber niemand rührte sich.
    Nur langsam fing ein Kind nach dem anderen an, seinen Stuhl zu verrücken und aufzustehen.
    Jemand machte Licht. Ich kniff die Augen zusammen und blickte in Noelles wässerige Augen. Justin ging zur Tür und starrte dabei den Boden an. Ich wollte nicht nach Hause gehen, ich wollte den Film zurücklaufen lassen und an einer glücklichen Stelle anhalten – vor all dem Leid und den Schmerzen.

KAPITEL 6
So gut wie neu
    Warum regnete es immer, wenn ich zu Fuß nach Hause gehen musste? Ich trottete von der Schule los und hoffte, dass Anne Frank in meinem Ranzen nicht nass werden würde. Nicht, dass ich meilenweit hätte laufen müssen – aber es waren doch gute fünfzehn bis zwanzig Minuten,
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