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2 ½ Punkte Hoffnung

2 ½ Punkte Hoffnung

Titel: 2 ½ Punkte Hoffnung
Autoren: Gretchen Olson
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da saß, rauchte und aus dem Fenster schaute.
    Dann aß ich mein Müsli, Tyler seinen Toast und wir tauschten Blicke, während Mom
noch
eine Zigarette rauchte. Wahrscheinlich konnte ich ihr keine Vorwürfe machen, weil sie sich nicht so toll fühlte. Ich meine, 40 ist auch nicht gerade eine Superzahl. Die 4 sieht aus, als ob sie sich nicht entscheiden könnte, in welche Richtung sie gehen will, und die 0 ist wieder diese Kreisgeschichte.
    Ich stellte das Müsli und die Milchpackung weg, machte mein Bett, putzte mir die Zähne und war fast schon unterwegs zum Bus, als …
    »Hope Marie Elliot. KOMM SOFORT HER!«
    Ich erstarrte. Mein Herz wurde schwer. Mein Gehirn quälte sich ab, um eine Verteidigung zu finden, aber was gab es schon zu verteidigen? Mom mochte sonst den Anfang eines Schuljahres immer. Zurück zum Alltag, sagte sie jeden September. Und ich hatte wie verrückt das Vorbild gespielt, hatte gelächelt und Hallo zu denen aus der fünften Klasse gesagt, hatte mein Zimmer aufgeräumt und mein Radio leise gestellt. Es hatte sogar gute Zahlen gegeben. 6:42, als ich ins Badezimmer gegangen war (ich
liebe
gerade Zahlen!), und 10:10 beim Schlafengehen. Alles war gut gewesen, und ich hatte mir zum zillionsten Mal gewünscht, dass es dabei bliebe.
    Für immer.
    »HOPE MARIEEEEE!«
    Mein hämmerndes Herz erinnerte mich wieder an den Rhythmus meines Lebens. Gut, dann schlecht. Oben, dann unten. Vorsichtig, dann achtlos. Als ich in die Küche zurückging, war mein ganzer Körper in Alarmbereitschaft und machte sich für den Gezeitenwechsel bereit. Für die Flutwelle.
    Mom lehnte am Spülbecken, die Arme übereinandergeschlagen,ihre Augen in meine gebohrt, die Augenbrauen gehoben. Sie hatte schon gezielt, war schussbereit.
    »Was siehst du da auf dem Tisch?!«
    Vorsicht. Fangfrage. Vorsicht. Gehirn an Mund: Lass dir Zeit. Sag das Richtige. Sei sicher.
»Platzdeckchen … Zeitung … Marmelade … Salz und Pfeffer …«
    »Spiel hier bloß nicht den Schlaukopf, junge Dame.« Ihr Finger stach bei diesen scharfen Worten immer wieder in die Luft. »Du bist so verdammt dumm. Du weißt genau, worüber ich rede.«
    Meine Gedanken wirbelten schneller und schneller, wie so eine Schaukel auf dem Jahrmarkt, sie drehten sich, schlangen sich umeinander, stellten sich auf den Kopf. Ich hielt den Atem an. Pochende Hitze lief über Gesicht und Hals. Wenn ich so genau wusste, worüber sie da redete, warum kannte ich die Antwort nicht?
    Vielleicht sollte ich einfach aufgeben, mich geschlagen geben.
Gehirn an Augen: traurig, tut mir leid, tu ich niemals wieder.
Ich starrte die weiße Pfütze an, die ungestört unten in meiner Müslischale ruhte. Wie wäre es wohl, in einer Lache aus seidenweicher, kühler Milch zu schwimmen und dabei hochzuschauen zu …
    »Du blödes Stück Dreck! Ich bin hier kein Scheißdienstmädchen!« Mom schnappte sich die Schale. Milch schwappte über die Kante und auf ihren Bademantel. »Seit elf miesen Jahren räum ich jetzt schon hinter dir her. Ich hab es zum Kotzen satt. Alles, was ich tue, trittst du mit Füßen. Nie hörst du zu. Raus hier! Ich kann dich nicht mehr sehen. Raus!«

    Denk glückliche Gedanken!
ist ziemlich schwer, wenn du im Büro der Schuldirektorin sitzt, aber das war es, was die eingerahmte Stickerei aus roten und blauen Xen hinter dem Schreibtisch sagte.
    Ich überlegte, ob Schulleiterinnen wohl glückliche Gedanken hätten. Immerhin hatte Mrs. Piersma ein glückliches Büro: geblümte Tapeten, eine geblümte Pinnwand, geblümte Vorhänge und dazu echte Blumen in einer grünen Vase. Ich erspähte die durchsichtige Glasschüssel am Rand ihres Schreibtisches, die mit rotweißgestreiften Pfefferminzbonbons gefüllt war. Eins davon hätte
mir
glückliche Gedanken beschert.
    Ich holte tief Luft und ließ mich in dem Sessel zurücksinken. Weil die Tür geschlossen war, konnte ich die Bürostimmen kaum hören – vermutlich teilte Mrs. Piersma ihrer Sekretärin gerade mit, dass meine Mom bald kommen würde.
    Mir schauderte. Ausgerechnet. Dabei hatte ich sie doch schon wütend gemacht. Ich hatte meine Müslischale vergessen. Das war völlig bescheuert von mir gewesen. Wie hatte ich das übersehen können?! Wahrscheinlich hatte ich gerade über einen von Tylers Witzen gelacht. Und jetzt war sie auf dem Weg ins Büro der Schulleiterin und würde wieder ihre Schauspielnummer durchziehen. Zum Glück hatte sie den Tag frei und wollte mit ihrer alten Schulfreundin Lydia Bishop Mittagessen gehen. Oder
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