Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1WTC

1WTC

Titel: 1WTC
Autoren: Friedrich von Borries
Vom Netzwerk:
geworden. Aber dann kam dieser unglaubliche Zufall mit Toms Paradies und dem Sicherheitscheck hinzu.
    Dass sie in diesem Keller im 1 WTC gestorben ist, war das Ergebnis eines Zufalls. Das war nicht der Plan. Deswegen ist ihr Tod aber noch lange nicht sinnlos. Das hängt jetzt von Dir ab.
    Du hast einmal gefragt, was passiert, wenn man »Das Spiel« verliert. Und ich habe versucht, Dir zu erklären, wer der Endgegner ist. Der Spieler offenbart sich. Das habe ich jetzt getan. Doch entgegen der eigentlichen Spielregeln ist für mich »Das Spiel« jetzt zu Ende. Game Over. Du musst alleine weiterspielen – in der Wirklichkeit.
    Denk daran, dass Du das Geschehene niemals wirst beweisen können. Alle Spuren werden verwischt sein.
    Pass auf Dich auf. Hier bist Du nicht mehr sicher.
    Syana
    Unter dem Brief befindet sich ein Link. Ein Klick, der Bildschirm verdunkelt sich.
    Halbtotale aus Überwachungskamera. Schwarz-weiß. Syanas Loft. In der Mitte drei zu einem Dreieck arrangierte Podeste, darauf jeweils ein Monitor. Die Monitore zeigen in die Mitte des Dreiecks. Dort steht ein Stuhl.
    Im Hintergrund erkennt man weitere Kameras. Auch sie sind auf die Mitte des Dreiecks gerichtet. Auf den Monitoren sind die weißen Wände zu sehen.
    Syana betritt von rechts die Szene. Sie holt eine Leiter und eine Nylonschnur und befestigt die Schnur an der Decke. Dann macht sie eine große Schlaufe. Sie trägt die Leiter wieder weg und zieht sich mit lasziven Gesten aus. Die Kleider fallen neben den Sessel. Vor den Kameras posierend, befriedigt sie sich selbst.
    Syana klettert auf die Stuhllehne und legt sich die Schlaufe um den Hals. Auf der Lehne balancierend, befriedigt sie sich weiter. Ihr Atem wird schneller, ihr Körper beginnt zu zucken, der Stuhl kippt um.
    Der nackte Körper pendelt im Raum. Die Arme hängen leblos am Körper herab.
    Die Pendelbewegung verlangsamt sich.
    Weiße Überblendung.
    Schrifteinblendung: Game Over.
    Blende.
    Mikael muss sich übergeben und rennt zur Toilette. Dann liest er die Mail ein zweites Mal. Als er den Link anklickt, erscheint anstelle des Films nur noch der Schriftzug »Game Over.«
    Mikael versucht, sich an die Lichtsituation im Film zu erinnern, um eine Idee davon zu bekommen, wann er gedreht wurde. Eher am Abend. Also gestern. Mikael packt Kamera und Rechner ein und nimmt ein Taxi zu Syanas Wohnung. Das Apartment wurde komplett leergeräumt. An einem schweren Haken in der Decke hängt ein Stück Nylonschnur. Keine Spur von Syana. Nirgends. Er klingelt bei einem Nachbarn.
    »Hast du Syana gesehen?«
    »Nein.« Der Nachbar schaut verdutzt. »Aber vor einer Stunde waren schon ein paar Leute da, die nach ihr gefragt haben. Was ist denn los?«
    Mikael lässt den Nachbarn stehen. Das Gleiche wie bei Jennifer. Er muss New York so schnell wie möglich verlassen.
    Dieser Moment ist die Geburt von Mikael Mikael.

Epilog
    »Damit ist die Geschichte erst mal zu Ende.« Mikael lehnt sich zurück und blinzelt mich an. Er kann die Augen kaum offen halten. Auch ich bin todmüde, Mikael hat die ganze Nacht erzählt. Die verstaubten Fensterscheiben filtern das Licht, trotzdem blendet uns die tiefstehende Morgensonne. Auf dem kleinen Tisch tanzen die Schatten der Spinnweben.
    Mikael schaut mich erwartungsvoll an: »Alles klar?«
    Ich fühle mich erschlagen. Seine Geschichte klingt glaubhaft, man sieht ihm an, dass er nicht lügt.
    »Ich habe noch ein paar Fragen.« In Wirklichkeit habe ich mindestens tausend Fragen.
    »Schieß los.«
    »Wie bist du aus den USA rausgekommen?«
    »Ich bin zum Bankautomaten, hab alles Geld abgehoben, das noch auf dem Konto war. Dann mit dem Bus nach Texas. Über die grüne Grenze nach Mexiko. Weiter nach Belize, dann ein Frachtschiff nach Istanbul. Von dort Richtung Europa. In Deutschland hab ich mir dann einen Pass besorgt, auf meinen neuen Namen. Den alten Pass hab ich verbrannt. Meine Eltern haben mich als vermisst gemeldet, in zehn Jahren werde ich dann voraussichtlich für tot erklärt. Dafür gibt es jetzt einen neuen Menschen: Mikael Mikael.«
    »Warum bist du ausgerechnet zu mir gekommen? Klar, wir kennen uns schon lange, wir sind alte Freunde. Aber gerade weil ich dich kenne, kann ich dich auch enttarnen. Warum gehst du dieses Risiko ein?«
    Er grinst und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. »Da mach ich mir gar keine Sorgen, du wirst mich nicht verraten. Du weißt nämlich überhaupt nicht, wer ich bin.«
    »Das stimmt doch nicht. Ich kenn deinen Geburtsnamen, deinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher