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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2
Autoren: Haruki Murakami
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Nur deshalb hatte Aomame den Fahrer überhaupt gebeten, die Stadtautobahn zu nehmen.
    »Auf der Autobahn wird nicht nach Zeit abgerechnet«, sagte der Fahrer mit einem Blick in den Rückspiegel. »Um den Fahrpreis brauchen Sie sich also keine Sorgen zu machen. Aber wahrscheinlich ist es unangenehm für Sie, wenn Sie Ihre Verabredung verpassen?«
    »Natürlich ist das unangenehm. Aber es lässt sich ja wohl nicht ändern.«
    Der Blick des Fahrers streifte Aomame im Spiegel. Er trug eine leicht getönte Sonnenbrille. Wegen der Lichtverhältnisse konnte Aomame von ihrem Platz aus seinen Gesichtsausdruck nicht sehen.
    »Also, es gäbe da eine Möglichkeit. Im äußersten Notfall könnten Sie von hier aus mit der Bahn nach Shibuya fahren.«
    »Im Notfall?«
    »Eine sozusagen inoffizielle Möglichkeit.«
    Wortlos und mit zusammengekniffenen Augen wartete Aomame, dass er fortfuhr.
    »Vor uns ist eine Stelle, wo ich ranfahren kann.« Der Fahrer wies mit dem Finger nach vorn. »Da bei der großen Esso-Reklametafel.«
    Als Aomame scharf hinsah, bemerkte sie links von der zweiten Spur eine Haltemöglichkeit für Pannenfahrzeuge. Da es auf der Stadtautobahn keinen Seitenstreifen gab, hatte man in gewissen Abständen Notparkplätze eingerichtet. Es gab dort einen gelben Kasten mit einem Notruftelefon, von dem aus man das Straßenamt kontaktieren konnte. Im Augenblick parkte dort niemand. Auf einem Gebäudedach jenseits der Gegenspur war ein riesiges Werbeschild der Ölfirma Esso angebracht. Es zeigte einen freundlich lächelnden Tiger mit einem Tankschlauch in der Pfote.
    »Es gibt dort eine Treppe, die nach unten führt. Im Fall eines Feuers oder Erdbebens können die Fahrer ihre Wagen verlassen und über sie auf ebene Erde gelangen. Normalerweise wird sie nur von den Wartungsarbeitern und so weiter benutzt. Wenn Sie die Treppe hinuntersteigen, kommen Sie in der Nähe einer Station der Tokyu-Linie heraus. Damit sind Sie ganz schnell in Shibuya.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es auf der Stadtautobahn so eine Treppe gibt«, sagte Aomame.
    »Das ist im Allgemeinen wenig bekannt.«
    »Aber bekommt man keine Schwierigkeiten, wenn man sie ohne zwingenden Grund benutzt?«
    Der Fahrer machte eine kurze Pause. »Hm, ja, könnte sein. So genau kenne ich mich mit den Bestimmungen des Straßenamts nicht aus. Aber Sie stören ja niemanden, also würde man sicher darüber hinwegsehen, oder? Eigentlich guckt doch hier niemand so genau hin. Das Straßenamt hat zwar jede Menge Angestellte, aber es ist ja bekannt, dass nur die wenigsten von ihnen tatsächlich etwas tun.«
    »Was ist das für eine Treppe?«
    »So was Ähnliches wie eine Feuertreppe. Wie sie oft auf der Rückseite von älteren Gebäuden angebracht sind. Nicht besonders gefährlich. Ihre Höhe entspricht etwa der eines zweistöckigen Gebäudes, aber man kann ganz normal hinuntergehen. Am Zugang gibt es ein Gitter, aber es ist nicht hoch, und wer will, kann leicht darübersteigen.«
    »Haben Sie diese Treppe denn schon einmal benutzt?«
    Der Fahrer antwortete nicht. Er lächelte nur leicht in den Rückspiegel. Es war ein Lächeln, das vieles heißen konnte.
    »Letztlich liegt es bei Ihnen, junge Frau«, sagte der Fahrer, während er mit den Fingern leicht zur Musik auf das Lenkrad trommelte. »Von mir aus können Sie auch gern hier sitzen bleiben und sich bei guter Musik aus einer guten Anlage entspannen. Da wir sowieso längere Zeit hier festsitzen, können wir auch gemeinsam ausharren. Aber wenn Sie einen dringenden Termin haben, gibt es nur diese eine Möglichkeit.«
    Mit gerunzelter Stirn warf Aomame einen Blick auf ihre Armbanduhr. Dann schaute sie auf und musterte die Wagen um sie herum. Rechts von ihnen stand ein schwarzer, von einer dünnen Schicht aus hellem Staub bedeckter Mitsubishi Pajero. Der junge Mann auf dem Beifahrersitz hatte das Fenster heruntergekurbelt und rauchte gelangweilt eine Zigarette. Er hatte lange Haare, war sonnengebräunt und trug eine weinrote Windjacke. Der Gepäckraum war mit mehreren abgenutzten, schmutzigen Surfbrettern beladen. Davor stand ein grauer Saab 900. Die getönten Scheiben waren geschlossen, und von außen ließ sich nicht erkennen, wer darin saß. Der Wagen war so blank poliert, dass die benachbarten Fahrzeuge sich darin spiegelten.
    Vor Aomames Taxi befand sich ein roter Suzuki Alto mit einer Nummer des Stadtteils Nerima. Eine junge Mutter saß am Steuer. Ihr kleines Kind langweilte sich und turnte auf dem Sitz herum. Die Mutter
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