Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
Vom Netzwerk:
nie dabei, weil ich, als er fertiggestellt war, einen Auftrag in der Tschechoslowakei hatte. Ich weiß nur von Kopjella, wie es gelaufen ist. Nämlich negativ. Der Junge hat nur ein einziges Wort gesagt: ›Schwein!‹ Das war ungewöhnlich, weil er sonst keine drastischen Ausdrücke benutzte. Aber es blieb unklar, wen er damit meinte, seinen Vater, der ihn im Stich gelassen hatte, oder Kopjella.«
    »Hat Tilmann den Film für authentisch gehalten?« 
    »Darüber haben Kopjella und ich ein paarmal gesprochen. Er wußte es nicht, sagte nur, der Junge war danach noch verstockter als vorher, und von der dritten oder vierten Vorführung an hat er einfach die Augen zugemacht. Mehr weiß ich darüber wirklich nicht.«
    »Die Organisation!«
    Zu diesem Thema sprach Schmidtbauer fast eine halbe Stunde durchgehend, während Kämmerer und Frau Engert mitschrieben. Bedenkenlos, ja, wie es schien, sogar mit bösartigem Eifer, machte er reinen Tisch, enthüllte die HADEX und gab die Namen, die echten und die angenommenen, der ihr zugehörigen Stasi-Offiziere preis, zählte auch sämtliche Nester auf, verriet zum Schluß Kornmessers Refugium, den Amalienhof in Mecklenburg.

40
    Die drei Wochen, die seit Schmidtbauers Auslieferung an die Behörden vergangen waren, hatten Paul Kämmerer noch einmal in heftige Turbulenzen gestürzt, ihn wie auch seine Nachbarin, die längst eine Freundin geworden war.
    Es stand nun fest, beide würden sich vor Gericht wegen Freiheitsberaubung zu verantworten haben, doch da ihr Anwalt geltend machen konnte, daß die Geiselnahme, derer sie beschuldigt wurden, unter anderem auch aus Notwehr erfolgt war, hatten sie gute Aussichten, mit geringfügigen Strafen davonzukommen.
    Schwerer als die Geiselnahme selbst wog für die Justiz offenbar der Umstand, daß sie die Polizei erst nach einigen Tagen eingeschaltet hatten. Aber auch diesem Vorwurf würde der Anwalt zu begegnen wissen, hatte ja gerade die Verzögerung ihre Taktik ausgemacht und den Erfolg herbeigeführt. Durch Schmidtbauers anhaltende Unauffindbarkeit war Kopjella nach Hamburg gelockt worden. Das wiederum hatte die Nr. l der HADEX veranlaßt, ihn auszuschalten, und dieser Mord schließlich hatte dazu geführt, daß die gesamte Organisation zerschlagen werden konnte.
    In einer koordinierten Aktion waren alle Nester ausgehoben worden. Und noch mehr war geschehen. Man hatte Kornmesser verhaftet, das Lübecker Archiv beschlagnahmt und die geheimen Gelder eingezogen.
    Nicht nur über die polizeilichen Maßnahmen war in sämtlichen Medien in großer Ausführlichkeit berichtet worden. Auch Tilmanns Schicksal und die Flucht mit dem Mähdrescher hatten dort Eingang gefunden.
    Zu einer weiteren Anklage gegen Paul Kämmerer wäre es gekommen, wenn es dem Anwalt nicht gelungen wäre, den von seinem Mandanten bedrohten Taxifahrer zum Verzicht auf eine Strafanzeige zu überreden. Kämmerer hatte den entstandenen Schaden ersetzt, den Verdienstausfall bezahlt und ihm obendrein ein Schmerzensgeld ausgehändigt mit der Begründung, eine Pistole im Nacken erzeuge Angst und Angst sei nun mal Schmerz. Vor allem aber die Erkenntnis, daß er eben nicht, wie zunächst vermutet, der Täter, sondern im weiteren Sinne ein Opfer war, hatte den Mann besänftigt.
    Es war Frau Engert gelungen, Kämmerer von einer Teilnahme an der Exhumierung abzubringen. Das war nicht einfach gewesen. Sie hatte es erst dadurch geschafft, daß sie vorschlug, später mit ihm nach Berlin zu fahren und jene Koppel aufzusuchen, in der Tilmann sein erstes Grab gefunden hatte.
    An der Beerdigung auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg hatten nur wenige Personen teilgenommen, außer Paul Kämmerer waren es Luise Engert, der alte Eckehard Kämmerer, Kommissar Granzow, ein paar Nachbarn und einige Mitarbeiter aus der Firma. Etwas abseits hatten ein junger Mann und ein junges Mädchen gestanden, und Granzow hatte Kämmerer zugeraunt: »Die Geschwister Kopjella.« Er war unschlüssig gewesen, ob er auf sie zugehen sollte, hatte es dann nicht getan. Aber ihr Kommen hatte ihn angerührt.
    Und nun waren Frau Engert und er in Berlin. Sie fuhren zum Stadtrand. Er saß am Steuer, sie neben ihm. Sie hatte Schmidtbauers Lageplan auf den Knien. Es war eine Kopie. Das Original hatte der Staatsanwalt zu den Akten genommen.
    Schließlich lag die Koppel vor ihnen. An ihrer Längsseite ragte der Strommast auf! Sie stiegen aus, brauchten die acht Meter nicht abzuschreiten, denn der Grabplatz war deutlich zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher