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1991 - Mhogenas Entscheidung

Titel: 1991 - Mhogenas Entscheidung
Autoren: Unbekannt
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gebracht hast, indem du ihn Freund nanntest.
    Ein Ruck ging durch das walzenförmige Beiboot und enthob mich der Notwendigkeit, eine Antwort zu geben. Ich wußte, wir hatten irgendwo angedockt. Es fragte sich nur, wo.
    „Ich habe doch gesagt, es ist völlig harmlos", sagte Mhogena. „Wir Meister des Grauen Sandes verfügen über genaue Koordinaten, die ich in den Bordcomputer eingegeben habe. So ist es uns ohne eigenes Dazutun möglich, unser Ziel zu erreichen."
    „Und was genau ist unser Ziel?"
    „Ich habe dein Mißtrauen noch immer nicht ausgeräumt", überging der Fünfte Bote meine Frage. Es war kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. „Du denkst zum Beispiel darüber nach, welche Rolle die Meister des Sandes in Chearth spielen. Vor allem die des Grauen Sandes. Du hast recht, Atlan."
    Diesmal kein Freund, stellte der Extrasinn fest. Er kommt zur Sache!
    „Wir lassen die Gharrer und alle Chearther absichtlich im unklaren über die Rolle, die die Meister des Grauen Sandes spielen... vor allem über die, die ich innehabe. Wissen sie von meiner Funktion als Fünftem Boten? Von Thoregon? Von unserem Orden? Wir machen kein Geheimnis daraus, aber wir verkünden es auch nicht lauthals."
    „Ich verstehe." Mir war klar, daß Mhogena auf etwas ganz anderes hinauswollte.
    Plötzlich klang seine Stimme gebrochen. „Wir sonnen uns geradezu in der Mystik, die uns umgibt. Das werde ich ändern, sobald die Invasion der Algiotischen Wanderer zurückgeschlagen wurde. Aber eins werde ich nie ändern: Die Gomrabianischen Hyperraumhügel haben eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Meister des Grauen Sandes gespielt. Sie sind für das Selbstverständnis unseres Ordens von zentraler Bedeutung. Und die Versiegelung der Hügel ist das größte Tabu unseres Ordens. Niemand darf erfahren, was hier geschehen ist und noch immer geschieht."
    Ich glaubte ihm aufs Wort. Nun war mir klar, wieso er in dieser Hinsicht absolut unbeugsam gewesen war.
    „Wir sind nicht stolz darauf, was wir getan haben. Aber es war die einzige Möglichkeit."
    „Ich verstehe dich", sagte ich. Es war das Ehrlichste und Aufrichtigste, was ich seit Tagen zu ihm gesagt hatte.
    „Das bezweifle ich", widersprach er. „Aber die Ereignisse haben uns überrollt. Wir haben fünfzig Jahrtausende lang den Frieden gelebt und sind von religiösen Fanatikern angegriffen worden. Ich weiß, sie wollen uns auslöschen, und wenn wir ihnen nicht bald Einhalt gebieten, werden sie es auch tun. Nur deshalb habe ich dich hierher mitgenommen."
    Obwohl der SERUN meine Lippen völlig ausreichend mit Feuchtigkeit versorgte, benetzte ich sie mit der Zunge.
    Mhogena betrachtete mich mit drei seiner vier Augen. Das vierte starrte reglos die Wand der Zentrale des Beiboots an.
    „Ich offenbare dir das größte Geheimnis der Meister des Grauen Sandes, Atlan. Ihren unendlichen Stolz und ihre bodenlose Schande. Das Tabu des Ordens." Mhogena legte die Hand auf eine Sensortaste, und in der Mitte der Zentrale flammte ein Hologramm auf.
    Und mir verschlug es den Atem, ohne daß der SERUN mit all seinen medizinischen Möglichkeiten etwas dagegen unternehmen konnte.
     
    3.
     
    Atlan: Bei den lebenden Toten
    19. April 1291 NGZ
     
    Narr! sagte der Extrasinn. Das war doch klar, oder etwa nicht?
    Ich gestand es mir ein, und trotzdem war es dem Fünften Boten gründlich gelungen, mich zu überraschen. Er kannte die Physiognomie der Lemurerabkömmlinge mittlerweile sogar so gut, daß er sich an meiner Verblüffung geradezu weidete.
    Du hast deine Schuldgefühle noch immer nicht überwunden, stellte der Logiksektor fest. Du konntest dir doch denken, daß wir den gestohlenen Tiefenbahnhof anfliegen.
    Das mochte zwar zutreffen, doch nun sah ich den Tiefenbahnhof und fühlte mich sofort wieder an den dritten Oktober 427 NGZ erinnert.
    Genauer gesagt erblickte ich einen winzigen Teil davon, ein kleines Gebäude, den Eingang zum Bahnhof. Ich wußte, daß es auf einer quadratischen Plattform von zwanzig Kilometern Kantenlänge und fünfhundert Metern Dicke stand, an dessen Ecken sich silberne, fünf Kilometer hohe Türme mit nadeldünnen Spitzen erhoben. Der Quader befand sich genau im Zentrum der Plattform.
    Sie selbst konnte ich nicht ausmachen. Jedenfalls nicht richtig. Sie lag hinter einer Art halbtransluzentem, in allen Farben des Regenbogens flimmerndem Schirmfeld, und sie schien zu allem Übermaß nur halb materiell zu sein. Im einen Augenblick war sie einigermaßen deutlich zu erkennen,
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