Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
Vom Netzwerk:
Hausmeister. Oder ein Spanner. Oder was immer der war.«

3.
    Schon um zehn Uhr kam die Meldung über den Rundfunk. Frank Golombek und seine Frau Katharina saßen auf der Terrasse und frühstückten. Diese spätmorgendliche Zusammenkunft war bei ihnen seit vielen Jahren Gewohnheit, und fast immer hörten sie dann zunächst die Nachrichten.
    Der Sprecher verkündete:
»Heute früh ist der amerikanische Oberst Matthew Braden, Chef einer in der Bundesrepublik stationierten USSondereinheit, im Duschraum des Kellbacher Tennisclubs erschossen aufgefunden worden. Er wurde das Opfer eines Terroranschlags, bei dem außer ihm ein Angestellter des Clubs, der siebenundzwanzigjährige Spanier Sergio Valdés, ums Leben kam. Zu dem Doppelmord bekannte sich kurz nach der Tat die als extrem militant geltende Organisation VITANOVA. Der Mann, der um neun Uhr fünfundvierzig in der Redaktion des WESTKURIERs anrief, erklärte, der Colonel habe als Vertreter einer aggressiven imperialistischen Macht auf der Liquidationsliste gestanden. Der Spanier, so hieß es weiter in der Erklärung der Terroristen, sei als zufälliger Zeuge zum Mitopfer geworden und die Organisation bedaure seinen Tod. Das BKA hat die Ermittlungen aufgenommen und arbeitet eng mit den in der Bundesrepublik anwesenden amerikanischen Sicherheitsbehörden zusammen. Es wird bereits nach einer jungen Frau gefahndet, die in letzter Zeit mehrmals mit dem Colonel im Kellbacher Club Tennis gespielt hat und möglicherweise als Täterin in Frage kommt. Sie ist Anfang Zwanzig, etwa einen Meter sechzig groß, blond, schlank. Sie trat unter dem – mit großer Wahrscheinlichkeit falschen – Namen Ruth Silbermann auf und fuhr einen dunkelgrauen TOYOTA mit Kölner Kennzeichen. Sachdienliche Hinweise, die zur Klärung des Falles beitragen können und auf Wunsch vertraulich behandelt werden, nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.
Gestern hat die der SPD nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung …«
Frank Golombek schaltete das Gerät aus. » Colonel Braden! Und ich wollte dir gerade vorschlagen, daß wir ihn mal einladen.«
»Diesen amerikanischen Oberst? Wozu denn das?« Katharina Golombek unterbrach ihr Frühstück und zündete sich eine Zigarette an. Sie saß in einem beigefarbenen Morgenmantel da. Ihr flächiges, sonnengebräuntes Gesicht strahlte Frische aus. Sie war sechsundvierzig Jahre alt, wurde aber meistens für wesentlich jünger gehalten.
»Ich dachte«, antwortete ihr Mann, »man könnte von ihm Näheres über unser Giftlager erfahren.«
»Dein Engagement in dieser Sache bringt dich noch um den Verstand!«
»Umgekehrt, meine Liebe, und dann auch mit anderem Vorzeichen: Mein Verstand sorgt dafür, daß ich mich in dieser Sache engagiere. Fast dreißig Jahre liegt das verdammte Kuckucksei der Amis nun schon hier, und keine Regierung sorgt dafür, daß es verschwindet!«
»Wenn es dreißig Jahre gutgegangen ist, wird es ja wohl auch weiterhin gutgehen. Was soll da denn auch groß passieren? So, wie das Lager gesichert ist!«
»Es könnte zum Beispiel ein Leck entstehen. Hab’ neulich gelesen, daß bei den Chemiewaffen-Beständen der Amerikaner – und damit sind jetzt alle gemeint, also auch die in den USA und auf Okinawa – viertausend Leckagen pro Jahr anfallen. Ich finde, das ist eine ganze Menge. Oder ein Flugzeug stürzt auf das Depot. Du weißt, im vorigen Jahr sind zwei Maschinen über unserem Gebiet zusammengestoßen. Nur dreißig Kilometer vom Depot entfernt kamen sie runter. Dreißig Kilometer sind gar nichts! Aber es kann auch ganz anders gehen. Vielleicht dreht einer der Bewacher durch! Ist doch vorstellbar. Es gibt Menschen, die eine so immense Verantwortung plötzlich nicht mehr aushalten und dann irgendwelchen Blödsinn anstellen. Oder es gibt ein Erdbeben. Denk nur an die Geschichte mit dem Nios-See! In Kamerun! Tausendsiebenhundert Tote, weil da, vermutlich durch eine tektonische Veränderung, ein Gift freigesetzt wurde, das unter dem Kratersee eingeschlossen war. Man weiß nicht genau, um welches Gift es sich dabei gehandelt hat, aber daß es ein tödliches war, steht ja wohl fest. Hast damals doch selbst die Bilder in der Tagesschau gesehen. Ausgestorbene Dörfer! Menschen, die von der Giftwolke überrascht wurden; bei der Arbeit, beim Essen, bei was weiß ich! Kippten einfach um und blieben liegen. Und die vielen verendeten Tiere! Jemand brachte den Vergleich mit der Neutronenbombe. Da trifft es ja auch nur die Kreatur, also die Menschen und die Tiere,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher