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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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gerade ihren Beutel öffnen, da ging die Flurtür auf. Es war der Spanier. Er hatte einen Werkzeugkasten in der Hand und sagte, als er eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, auf deutsch: »Bitte, entschuldigen Sie, Fräulein, ich muß hier ein Waschbecken reparieren.«
Sie antwortete nicht. Diese Situation hatten sie in der Theorie viele Male durchgespielt: das Auftauchen des unbeteiligten, des zufälligen Zeugen oder auch einer Person, die mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von Sekunden zum Zeugen werden konnte. Das Rezept dafür war brutal, aber es gab kein anderes, es sei denn, man gefährdete sich selbst. Und hier, das wußte sie, war das Risiko so groß, daß sie möglicherweise nicht mal mehr den Weg zu ihrem TOYOTA schaffen würde. So war diesmal sie es, die »sorry!« sagte.
Sie zog das Handtuch weg, und dann lief es ähnlich ab wie bei dem Colonel . Ehe der Spanier überhaupt begriffen hatte, was die blonde señorita da in ihrer kleinen Hand hielt, war schon das zweimalige »Plop« ertönt. Es gab ein furchtbares Getöse, weil der schwere Werkzeugkasten auf die Fliesen krachte. Auch der Spanier griff sich an die Brust, knickte dann ein, sank auf die Knie und kippte zur Seite.
Schnell steckte sie Waffe und Handtuch in den Beutel und stieg über den vor der Tür liegenden Toten hinweg, wollte verschwinden. Doch da kam ihr eine Idee. Natürlich, dachte sie, wird man den Hausmeister bald vermissen, wird nach ihm rufen, ihn suchen, und vielleicht wird man im Sanitärbereich nur die Tür zum Vorraum öffnen und, wenn er dort nicht ist, zunächst woanders weitersuchen. Sie legte noch einmal ihre Sachen ab, bückte sich, schleifte den Spanier zu den Herrenduschen, zog ihn in die vorletzte Nische. Dann trug sie auch seinen Werkzeugkasten dorthin, wischte im Vorraum die Blutspuren weg und machte sich auf den Weg.
Sie lief nicht, sondern ging mit ganz normalen Schritten durch das Clubhaus und dann hinaus auf den Parkplatz, stieg in den Wagen und fuhr los. Als sie aus Kellbach heraus war, beschleunigte sie, fuhr schließlich mit hundertvierzig Stundenkilometern.
Neun Minuten nach Verlassen des Tennisclubs hatte sie den Wasloher Forst erreicht. Sie bog in einen Waldweg ein, hielt, zog sich um, nahm auch die Perücke ab, stieg, den Beutel in der Hand, aus. Dann lief sie hinein in den Wald, lief eine Viertelstunde ohne Unterbrechung, bis sie auf eine schmale Straße stieß. An der ging sie entlang, hielt sich dabei aber im Schutz der Bäume. Nach drei Minuten hatte sie einen Weg erreicht, der von der Straße abzweigte. Auf diesem stand, hinter einer Biegung, ihr VWKäfer. Sie setzte sich hinters Lenkrad, startete, fuhr fast bis an die Straße heran, stieg aus und sah nach, ob andere Fahrzeuge kamen. In beiden Richtungen war die Straße leer. Schnell stieg sie wieder ein, nahm die Biegung, beschleunigte und fuhr mit mäßigem Tempo weiter.
Die Tarnung ihres Wagens war pittoresk. Nicht das Unauffällige, sondern das Auffallende schützte ihn. Es war ein typisches Youngster Auto mit bunter Bemalung und vielen Aufklebern. Zwei der Etikette hafteten an der Scheibe des Rückfensters. Das eine war ein weißer Streifen, und seine Aufschrift lautete: »Schon eine einzige Atombombe kann dir den ganzen Tag versauen!« Das andere war rund, zeigte ein Gespenst, und darunter standen die Worte: »Geisterfahrer haben etwas sehr Entgegenkommendes!«
Sie fuhr mit ihrem Papageienvehikel vierzig Minuten, kam durch sieben Ortschaften. In der achten, in Neuenburg, hielt sie vor einem grauen Mietsblock. Sie stieg aus und ging ins Haus. Im vierten Stock öffnete sie mit ihrem Schlüssel eine Wohnungstür.
Im Flur stand Robert, und aus einem der Zimmer kam Hilario dazu.
»Und?« fragte Robert.
»Es war einmal ein Colonel «, antwortete Zayma. Sie sprachen, wie immer innerhalb der Gruppe, deutsch.
»Sehr gut!« Robert klopfte ihr auf die Schulter.
»Ging alles glatt?« wollte Hilario wissen.
»Nicht so ganz. Grad als ich den Vorraum verlassen wollte, kam der Hausmeister, um ein Waschbecken zu reparieren.«
»Verdammt!« Robert schlug mit der Faust gegen die Wand. »Das gibt es doch gar nicht! Hast du dich denn nicht genügend abgesichert?«
»Es war Zufall, und …«
»Ach was, Zufall! Der hat euch vorher rumknutschen sehen und gedacht: Ich guck’ mir mal an, was die jetzt unter der Dusche machen! Das war ein Spanner. Kann das sein?«
»Schon möglich.«
»Na und? Nun sag schon, was hast du gemacht?«
»Es war einmal ein
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