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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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denn sie befand sich in einem schon vor mehreren Wochen in Frankreich gestohlenen TOYOTA auf derselben Straße, die er benutzt hatte, durchfuhr ebenfalls, wenn auch in entgegengesetzter Richtung, den Ort Wasloh, kam an dem Strohschober vorbei, kehrte dann aber dem Depot den Rücken, indem sie links abbog. Um Viertel nach sieben erreichte sie Kellbach. Sie durchfuhr den Ort, und als sie auf der jenseitigen Ausfallstraße einige hundert Meter zurückgelegt hatte, scherte sie aus und gelangte schließlich auf den zu dieser frühen Stunde noch fast leeren Parkplatz des Tennisclubs.
    Sie hielt, zog den Schlüssel ab und sah in den Spiegel, prüfte Haar und Make-up. Wie jedesmal beim Besuch des Clubs trug sie eine blonde Perücke. Innerhalb der Gruppe hatten sie lange überlegt, ob es in Anbetracht der beim Tennis unvermeidlichen heftigen Bewegungen und der verstärkten Schweißbildung nicht sinnvoller wäre, das Haar zu färben. Schließlich aber hatte Zayma sich dann doch für die Perücke entschieden; der mehrfache Rollenwechsel mit eingefärbtem Haar wäre zu umständlich geworden. Sie hatte, damit das für ihren Schutz so wichtige Requisit nicht ins Rutschen geriet, ein Haftmittel benutzt und dort, wo der Perückenrand verlief, zusätzlich ein besonders festes Stirnband angelegt.
    Die Prüfung ergab, daß das Haar gut lag, die Bräune in ihrem Gesicht jedoch ein bißchen scheckig aussah. Sie griff in ihren Campingbeutel, der auf dem Beifahrersitz stand, holte die flache, dunkelblaue Plastikflasche mit der Emulsion Faciale Teintée heraus, schraubte den Deckel ab und drückte sich ein wenig von der braunen Paste in die Hand, blickte wieder in den Spiegel und verrieb die Schminke auf ihrem Gesicht, kontrollierte das Ergebnis, war zufrieden, legte die Flasche wieder in den Campingbeutel. Dann steckte sie sich ein Kaugummi in den Mund. Sie verabscheute Kaugummi, aber Robert, der Chef der VITANOVA, hatte gesagt: »Nimm so ein Ding und schieb es, während du Tennis spielst, tüchtig hin und her! Das ist amerikanisch. Außerdem ist es geil. Es zeigt diesem Braden, was dein Mund alles kann. Und wir wissen ja, der Kerl steht auf so was.« Also hatte sie ihren Widerwillen überwunden und sich ein Päckchen Kaugummi besorgt.
    Es war heute das vierte Mal, daß sie so früh am Morgen den Club besuchte. Zwei Tennisstunden pro Woche hatte sie mit dem Colonel vereinbart, eine dienstags, eine freitags, jeweils von halb acht bis halb neun. Und wirklich, schon bei der dritten Begegnung hatte der fünfzigjährige, etwas dickliche Ami mit ihr anzubändeln versucht. Er hatte es, vielleicht tatsächlich ermuntert von dem lasziv hin und her geschobenen Kaugummi, sehr direkt und frivol angestellt, hatte ihr im Vorraum zum Sanitärbereich des Clubs auf den Hintern geklopft, dann auf die Tür zu den Herrenduschen gezeigt und gesagt: »Komm doch da mit rein!«
    »Nein«, hatte sie ihm geantwortet, dabei aber gelächelt, denn es sollte ja noch ein nächstes Mal geben.
Dann hatte er gedrängt: »Aber es kommt niemand! So früh am Morgen spielt hier kein Mensch außer uns beiden.«
Darauf hatte sie ihm die verheißungsvolle Antwort gegeben: »Heute bitte nicht.«
Das war am Dienstag gewesen, und nun dachte sie: Diesmal wird er es wohl etwas energischer betreiben, und das ist gut. Sie nahm ihren Campingbeutel auf, stieg aus dem Wagen und ging zum Clubhaus.
Braden war schon da. Er saß auf einem Hocker, erhob sich, als er sie sah, kam auf sie zu und gab ihr die Hand. Dabei sagte er: »Ruth Silbermann, du trittst ein, und der mieseste Morgen wird schön.«
Sie hatte sich als Tochter eines jüdischen Fabrikanten ausgegeben, der mit seiner Familie eine Kur in Wasloh machte. Um Nachfragen in den Hotels vorzubeugen, hatte sie dem Colonel erzählt, ihre Eltern hätten ein Privathaus gemietet.
»Danke«, sagte sie, »das ist ein schönes Kompliment.«
Sie sprachen englisch miteinander.
Er kehrte sofort, wie sie es erwartet hatte, zu seiner Aufdringlichkeit zurück: »Dienstag sagtest du: ›Heute bitte nicht!‹ Nun haben wir Freitag.« Es klang, als wäre mit dieser Feststellung alles weitere abgesteckt.
»Ja«, antwortete sie, »aber ich muß um neun Uhr meinen Vater abholen. Er hat einen Termin beim Arzt und fährt nicht gern selbst.«
»Dann spielen wir nicht bis halb neun, sondern machen nur einen schnellen Satz.«
Wieder lächelte sie. »Und danach?«
»Duschen wir, von mir aus auch ohne Wasser.«
»Dann schon lieber mit.«
Jeder ging in seinen
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