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1987 - Der Mörderprinz

Titel: 1987 - Der Mörderprinz
Autoren: Unbekannt
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Beharrlich klammerte er sich an den Gedanken, daß ihr eigener Tod ihnen keine Qual bereitete, daß ihr Ableben sie nicht einmal störte, solange sie damit ihrem Prinzregenten Gutes taten. Die Augen reflektierten nicht mehr das Sonnenlicht. Das Gemurmel, eben noch zu zahlreichen Acustiqs aufsummiert, wurde leiser, leiser und erstarb.
    Eine Sekunde lang trauerte er um die Kinder, die von ihren Erzeugern in den Tod mitgenommen wurden. Doch er sah mit großer Präzision die potentielle Zukunft, die sie durchlitten hätten. Es gab nichts, was zu verlieren war.
    Mörderprinz!
    Samaho horchte in sich, er schaute nicht mehr auf die Reihen der Sterbenden, und er spürte eine schwer definierbare mentale Gewalt, die mit dem Verstreichen jeder Sekunde stärker freigesetzt wurde.
    Das Menta seiner Rasse. Die Essenzen ihrer Seele.
    Sein Blick wanderte von den Toten fort, zum fernen Horizont. Das Kloster der Druu war nicht sehen. Ein dunstiger Schleier begrenzte die Sicht in die Bergregion. Dennoch hatte er das Gefühl, auf dem Gipfel des Gebirges der Träume sei der steinerne Zwilling noch einmal zum Leben erwacht, wenn auch nur für die halbe Stunde, die es dauerte. Das Orakel blickte in beschwingter Heiterkeit zu ihm herab, so als wolle es rufen: Ich habe es vorhergesagt!
    Man konnte nicht töten, was im Grunde nicht lebte. Gomberach war keine Strafe, sondern eine Notwendigkeit.
    Ich komme zu dir, MATERIA!
    Das Menta des Crozeirenvolkes war eine Konstante. Je kleiner die Anzahl der Crozeiren, die noch am Leben war, desto größer wurde das Menta, das auf jede einzelne Person entfiel.
    Samaho spürte das Wachsen der Macht.
    Die Menta-Vergabe wurde nicht bei der Geburt vorgenommen, sondern es fand ein fließender Ausgleich statt.
    Jeder Crozeire erhielt stets denselben Anteil; und es gab niemanden, der daran etwas hätte ändern können. So, wie sich ein Gasdruck in einem Raum isobar verteilte, so verteilte sich das Menta über das Volk.
    Bis es kein Volk mehr gab.
    Ihr, mein Prinz, werdet der Totengräber meines Volkes sein...
    Das Volk lebte in ihm fort, Samaho sammelte das Menta ein, das sie ihrem Herrscher zurückließen, und die Menge wuchs bald zu einem Sturzbach an.
    Ein Berg von Leichen bedeckte die Stadt. Der Platz des multiversalen Friedens bot ein Sprenkelmuster aus Gesichtern und Kleidern. Die Luft war erfüllt von fauligem Gestank - so glaubte er. In seinem Mund breitete sich ein Geschmack aus, als sei er selbst dem Tod geweiht.
    Der Prinzregent mußte daran denken, daß die Roboter von Crozeirenstadt all die leblosen Glieder und Schädelkonusse aufsammeln und bestatten würden und daß die Stadt noch im hundertsten Jahrtausend auf eine mechanische, grauenvoll unbeseelte Weise funktionieren würde.
    Als nur noch zehntausend Crozeiren übrig waren, fielen ihm die Torr aus dem Kloster ein; jene versteinerten Mörder aus dem vierzehnten Jahrtausend, die dennoch eine kleinere Schuld auf sich geladen hatten, als er es gerade tat.
    Samaho ignorierte den Gedanken. Er leerte seinen winzigen Crozeirenkonus, mit dem er nicht mehr denken konnte, innerlich aus und lauschte der allgegenwärtigen Sphärensinfonie.
    Samaho wartete darauf, daß er wahnsinnig wurde.
    Aber es geschah nicht. Die Crozeiren des vierzehnten Jahrtausends waren körperlich stärker gewesen; ein Crozeire der Gegenwart besaß offensichtlich den stabileren Geist.
    Darauf hatte er gehofft, mit verzweifelter Intensität.
    Immer noch starben die Crozeiren. Doch nun mußte er nicht mehr den Blick nach unten richten, damit er sie sehen konnte - nun spürte er sie.
    Das Menta war eine starke Macht. Wer sie kontrollierte, benötigte keine Augen mehr.
    Er klappte die Lider herunter, er schlug sich die Hände vor die Stirn, und dann sah er, daß außer ihm nur ein einziges Wesen noch am Leben war.
    Mit diesem einen teilte er das Menta der Crozeiren.
    Es war Karvencehl. Der uralte Störenfried, der seinem Vater schon gedient hatte und der sich mit verbissener Kraft an sein bißchen Leben klammerte.
    „Nur noch wir beide, Hoheit", hörte er die alt gewordene Stimme krächzen, so unangenehm wie früher, und ein Windstoß trug den Klang der Worte davon.
    „Torr...", hörte er den anderen wispern. „Torr, ein Mörder..."
    Er trat vor den alten Diener hin und streckte in einer Bewegung, die er kaum zu kontrollieren vermochte, die Arme aus.
    Karvencehl wehrte sich nicht. Er wollte nicht sterben, auch nicht durch Gomberach, doch er wußte, daß Samaho ihm sein Leben nicht
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