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1987 - Der Mörderprinz

Titel: 1987 - Der Mörderprinz
Autoren: Unbekannt
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zu Fuß nicht erreichbar war.
    Einmal in zweihundert Jahren - wenn der Prinz von Crozeiro mit dem Sphärenkranz von Cro zum König gekrönt wurde.
    Samaho legte den ganzen beschwerlichen Weg zu Fuß zurück, wie es Tradition war, wie es jeder Prinz von Crozeiro einmal in seinem Leben zu erdulden hatte.
    In seinem Gefolge bewegten sich tausend Crozeiren, Höflinge vom Anwesen seines verstorbenen Vaters. Sein Trost war, daß sie alle genauso gehen mußten wie er.
    Für einen Augenblick hielt der Prinz inne und starrte den vor ihm liegenden Hang hinauf.
    Der Weg schien ihm noch endlos weit. Er hatte Angst, daß er es nicht schaffen würde. Crozeirenkörper eigneten sich für die feinen Dinge des Lebens, für das Spiel und die zarten Augenblicke, wenn der Morgen mit einer fühlbaren Leichtigkeit erwachte und wenn durch die Blätterkronen gesprenkeltes Licht wie durch Millionen Prismen zu Boden fiel. Gewaltmärsche durch das Hochgebirge gehörten nicht zur Art der Crozeiren. Samaho fragte sich, ob hier eine genetische Auslese betrieben wurde; er hatte niemals gehört, daß ein Prinz am Hang gestorben war. Aber das mußte nichts heißen, denn der Marsch zum Kloster fand nur einmal alle zweihundert Jahre statt.
    Eine unangenehm spitze, quäkende Stimme zerriß die Stille am Hang: „Verspürt Ihr Hunger, mein Prinz?"
    „Nein", versetzte er unzufrieden.
    „Durst?"
    „Nein!"
    Mit einer Handbewegung verwies er den Diener, der ungebürlich nahe an ihn herangetreten war, auf Abstand.
    Karvencehl hatte dem König bis ans Totenbett gedient, und er würde an diesem Tag ebenfalls den Tod finden.
    Die Treue der Crozeiren kannte keine Grenzen; mit derselben Selbstverständlichkeit wäre Karvencehl auch für ihn gestorben, hätte Samaho das verlangt.
    Doch nichts lag ihm ferner als das. Er brauchte kein Suizid-Opfer von einem unterernährten, hinfälligen Narren, der sein Leben an die Etikette bei Hof verschleudert hatte, sondern er wünschte sich lediglich seine Ruhe zurück.
    Mit Samahos Regnum würden neue Diener kommen. Er nahm sich vor, für die Zukunft auf schweigsame Leute zu setzen.
    Und, was unendlich viel wichtiger war, er wollte Musiker um sich spüren, die Allgegenwart schwebender Melodien. Sein Leben lang hatte er von einem Orchester geträumt, den großartigsten Solisten der Galaxis, zu einem Ensemble unter seiner Leitung vereint. Samaho spürte in sich das Herz eines großen Dirigenten. Zum Herrschen war er nicht geboren, auch wenn er nun gezwungen sein würde, gegen seine Überzeugung ein König zu sein.
    „Ich weise Euch darauf hin, mein Prinz, daß Ihr den gesamten Anstieg unter allen Umständen allein bewältigen müßt. Andernfalls kann Eure Krönung nicht erfolgen."
    „Erzähle mir nicht Dinge, die ich bereits weiß!"
    „Ihr werdet mich nur noch heute ertragen müssen, Hoheit."
    „Das ist wahr", hauchte Samaho mit unüberhörbarer Erleichterung und mit einem Seitenblick auf die fragile Gestalt, die mit durchscheinenden Gliedern neben ihm auf die Knie gesunken war.
    Wenn ich Glück habe, überlegte Samaho, stirbt er noch, bevor wir oben sind. Aber das galt für zwei Drittel aller Frauen und Männer im Troß.
    Der Prinz von Crozeiro straffte sich, raffte sein Gewand zusammen und reckte das empfindliche Gesicht in den eisigen Höhenwind.
    „Hoheit! Wartet!"
    Er gab keine Antwort. Statt dessen schritt er aus, mit trippelnden Schritten, so schnell es seine Glieder zuließen.
    Der Troß folgte ihm in geringem Abstand, so daß er den Atem der nächsten Diener in seinem Nacken zu spüren glaubte.
    Samaho gab es auf, sie um Distanz zu bitten.
    Hin und wieder drangen unnütze Kommentare an sein Ohr, mit wenig angenehmer Stimme vorgetragen - immer wieder Karvencehl, dachte er.
    Jenseits der Zwei-Kilometer-Höhenmarke sprenkelte ein sachtes Weiß die Landschaft. Mit dem Schnee sank die Temperatur auf einen Wert kurz unter dem Gefrierpunkt von Wasser.
    Samaho kämpfte sich den Pfad hinauf, in der grimmigen Kälte des späten Nachmittags.
    Er hielt mehrfach inne und blickte zurück: Die Stadt der Crozeiren erstreckte sich in ihrer prunklosen Eleganz bis an den Horizont, Millionen ineinander verschachtelter Wandelhallen, Lustgärten und Lichthöfe, mehr als hundert Kilometer weit, eine Architektur aus weißem Licht und braunem Sandstein, in der kristallene Kathedralen und Museen eine ruhmreiche Vergangenheit lebendig hielten.
    Von dort würde er Pooryga regieren.
    Etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung konzentrierte sich
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