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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier
Autoren: Robert Ludlum
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freigemacht hatte.
    »Schwarz, bitte«, sagte Shire und legte ein Blatt Papier auf seinen Schoß. »Ist Ihr Freund gegangen?«
    »Ja, er ist gegangen.«
    »Wußte er es?« fragte der alte Mann und nahm die Tasse entgegen.
    »Er wußte es, weil ich es ihm gesagt habe. Er hat seine Entscheidung getroffen. Er ist gegangen.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte Shire, und seine Augen blinzelten hinter der Brille. »Setzen Sie sich bitte, beide.«
    Barbara nahm den Kaffee, setzte sich aber nicht. Sie und der Wissenschaftler tauschten Blicke; dann trat sie ans Fenster, während Adrian sich Shire gegenübersetzte.
    »Ist es authentisch?« fragte Fontine. »Ich kann mir denken, daß das die erste Frage ist.«
    »Authentisch? Was die Zeit und das Material und die Schrift und die Sprache angeht... Ja, ich denke, all die Prüfungen wird es überleben. Chemische und prismatische Analysen dauern lange, aber ich habe Hunderte von Dokumenten aus der Zeit gesehen; in diesen Punkten ist es authentisch. Jetzt zur Authentizität des Inhalts. Es ist von einem Mann geschrieben worden, der den Tod vor Augen hatte und deshalb halb von Sinnen war. Einem sehr grausamen und schmerzhaften Tod sah er entgegen. Das ist ein Urteil, das andere werden fällen müssen, wenn man es überhaupt fällen muß.«
    Shire sah Adrian an, während er die Kaffeetasse auf den Tisch stellte und nach dem Papier griff. Fontine blieb stumm. Der Wissenschaftler fuhr fort: »Nach den Worten auf jenem Pergament hat der Gefangene, der am folgenden Nachmittag in der Arena sein Leben verlieren sollte, des Namens Petrus entsagt, den ihm der Revolutionär namens Jesus verliehen hatte. Er sagte, er sei seiner nicht würdig. Er wollte, daß sein Tod unter dem Namen Simon von Bethsaida aufgezeichnet werden solle, dem Namen seiner Geburt. Er war von Schuld verzehrt, behauptete, er hätte seinen Retter verraten... Denn der Mann, der auf dem Kalvarienberg gekreuzigt wurde, war nicht Jesus von Nazareth.«
    Der alte Wissenschaftler hielt inne. Seine Worte standen im Raum, als hätte er sich mitten im Satz unterbrochen.
    Adrian war aufgesprungen. Er blickte zu Barbara hinüber, die am Fenster stand. Sie erwiderte seinen Blick, ohne etwas zu sagen. Er wandte sich wieder Shire zu. »So spezifisch ist das?«
    »Ja. Der Mann litt große Qual. Er schreibt, daß drei von Christus' Jüngern auf eigene Faust handelten, gegen die Wünsche des Zimmermanns. Mit Hilfe der Wachen von Pilatus, die sie bestachen, holten sie den bewußtlosen Jesus aus dem Kerker und hinterließen dort an seiner Stelle einen verurteilten Verbrecher, der die gleiche Größe hatte und ihm ähnelte, und steckten ihn in die Kleider des Zimmermanns. Unter der hysterischen Menge am nächsten Tag reichten das Leichentuch und das Blut von der Dornenkrone, um die Züge des Mannes darunter und am Kreuz unkenntlich zu machen. Es war nicht der Wille des Mannes, den sie Messias nannten.«
    »>Nichts ist verändert«, unterbrach Adrian mit leiser Stimme, indem er sich an die Worte erinnerte. »>Und doch ist alles verändert.««
    »Man hat ihn gegen seinen Willen entfernt. Es war seine Absicht zu sterben, nicht zu leben. In dem Punkt ist das Pergament ganz eindeutig.«
    »Aber er ist nicht gestorben. Er lebte.«
    »Ja.«
    »Man hat ihn nicht gekreuzigt.«
    »Nein. Wenn man die Worte des Mannes akzeptiert, der das Dokument schrieb - unter den Umständen, unter denen er es schrieb, am Rande des Wahnsinns. Ich würde es nicht allein wegen seines Alters akzeptieren.«
    »Jetzt fällen Sie ein Urteil.«
    »Eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit«, verbesserte Dr. Shire. »Der Verfasser des Pergaments verfiel dann in wilde Gebete und Klagen. Seine Gedanken waren in dem einen Augenblick klar, im nächsten unklar. Wahnsinniger oder selbstgeißelnder Asket? Scharlatan oder Büßer? Welches von beiden? Unglücklicherweise verleiht ihm die Tatsache, daß es ein zweitausend Jahre altes Dokument ist, eine Glaubwürdigkeit, die ihm unter weniger auffallenden Begleitumständen versagt gewesen wäre. Vergessen Sie nicht, es war die Zeit der Christenverfolgungen Neros, eine Periode gesellschaftlichen, politischen und theologischen Wahnsinns. Menschen überlebten häufiger, aber nicht nur infolge schierer Findigkeit. Wer war es wirklich?«
    »Das steht in dem Dokument. Simon von Bethsaida.«
    »Dafür haben wir nur das Wort des Verfassers. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, daß Simon Petrus mit den frühen christlichen Märtyrern den Tod
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