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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier
Autoren: Robert Ludlum
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umschlossen. Das Stahlband sprang auf, man konnte die Kassette öffnen.
    Aber Adrian ging nicht zum Grab. Er hinkte an den Rand des Plateaus und blickte in die Tiefe.
    Unten hing der Körper des Soldaten, der Enterhaken hatte sich in seinen Hals gebohrt.
    Er füllte den großen Rucksack mit den drei stählernen, luftdichten Behältern aus der Kassette. Er konnte die alte Schrift nicht lesen, die in das Metall eingeätzt war. Das brauchte er auch nicht. Er wußte, was jeder Behälter enthielt. Keiner davon war groß. Einer war flach, dicker als die zwei anderen: in ihm befanden sich die Dokumente, die vor fünfzehnhundert Jahren von den Wissenschaftlern des Konstantin zusammengetragen worden waren, Studien, die sich mit etwas befaßten, was sie für theologisch inkonsequent hielten: daß man einen heiligen Mann dazu erhob, einer Substanz mit Gott zu sein. Fragen für neue Wissenschaften. Der zweite Behälter war kurz, wie ein Rohr geformt; er enthielt die aramäische Schriftrolle, die vor dreißig Jahren mächtige Männer so mit Angst erfüllt hatte, daß selbst Strategien eines globalen Krieges, gemessen an ihrem Besitz, zweitrangig erschienen. Aber der dritte Container war es, dünn, höchstens zwanzig Zentimeter breit und fünfundzwanzig hoch, der das außergewöhnlichste Dokument von allen enthielt. Ein auf Pergament geschriebenes Geständnis, das vor zweitausend Jahren aus einem römischen Gefängnis entfernt worden war. Dieser Behälter - schwarz, zerfurcht, eine Reliquie aus dem Altertum - war das Wesen der Kassette von Saloniki.
    Alle drei waren sie Verwerfungen; nur das Geständnis auf dem römischen Pergament konnte Schmerzen erzeugen, die das Vorstellungsvermögen der Menschen überstiegen. Aber darüber zu befinden, war nicht seine Sache.
    Oder war es das?
    Er steckte sich die Plastikflaschen mit Medizin in die Taschen, warf den Rucksack nach unten, kroch über den Rand der Felsplatte in die Tiefe und ließ sich nach unten fallen. Er schnallte sich den schweren Rucksack auf den Rücken und ging den Weg hinunter.
    Der Junge war tot. Das Mädchen würde überleben. Zusammen mit ihr würde er den Weg ins Dorf schon finden, davon war Adrian überzeugt.
    Sie gingen langsam - immer nur ein paar Schritte hintereinander - den Weg hinunter zu den Gleisen von Aosta. Er stützte das Mädchen, damit ihre verwundeten Beine sowenig wie möglich belastet wurden.
    Einmal blickte er sich um. In der Ferne hing die Leiche des Soldaten vor der weißen Felsplatte. Man konnte sie nicht deutlich sehen - nur wenn man wußte, wo man hinsehen mußte -, aber sie war da.
    War Andrew der letzte Tote, den der Zug von Saloniki forderte? Waren die Dokumente in jener Kassette so viele Leben wert? So viel Gewalt über so viele Jahre? Er wußte die Antwort nicht.
    Er wußte nur, daß dem Wahnsinn im Namen des Heiligen verdientes Gewicht beigemessen wurde. Heilige Kriege waren etwas Urtümliches; das würden sie immer sein. Und er hatte seinen Bruder getötet und damit an dem heiligen Krieg teilgenommen.
    Er spürte das schwere Gewicht auf seinem Rücken. Er war versucht, die stählernen Behälter herauszuholen und sie in den tiefsten Abgrund zu schleudern, den er in den Bergen fand. Dort würden sie zerbrechen und bei der ersten Berührung mit Luft zu Staub zerfallen. Und dann würden die Bergwinde sie davonfegen, und man würde sie vergessen.
    Aber das konnte er nicht tun. Dafür war der Preis zu hoch gewesen.
    »Gehen wir«, sagte er zu dem Mädchen und legte vorsichtig ihren linken Arm um seinen Hals. Er lächelte, als er das verängstigte Gesicht des Kindes sah. »Wir werden es schon schaffen.«
Teil vier
34
    Adrian stand am Fenster und blickte auf die dunkle Weite des Central Park hinaus. Er befand sich in dem kleinen Aufenthaltsraum für das Personal des Metropolitan-Museums. Er hielt sich den Telefonhörer ans Ohr und lauschte Colonel Tarkington in Washington. Auf der anderen Seite des Zimmers saß ein Priester der Erzdiözese New York, der Monsignore namens Land. Es war kurz nach Mitternacht. Man hatte dem Offizier in Washington die Nummer des Museums genannt und ihm gesagt, daß Mr. Fontine seinen Anruf erwarte, obwohl es schon so spät sei.
    Offizielle Erklärungen der Ereignisse um das Eye Corps würden zu gegebener Zeit vom Pentagon herausgegeben werden, erklärte der Offizier Adrian. Die Administration wollte den Skandal vermeiden, der ohne Zweifel entstehen würde, wenn Näheres über Anklagen wegen Korruption und
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