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1974

1974

Titel: 1974
Autoren: David Peace
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werden nichts unternehmen, also spucken Sie es aus, verdammt, sonst schlag ich Ihnen den verdammten Schädel ein.«
    Er schob mit seinen Händen mein Gesicht weg. »Es ist vorbei.«
    »Sie wollen nur, daß es vorbei ist. Aber Sie wissen, daß das nicht stimmt!« schrie ich und donnerte den Hammer seitlich gegen die Stufe.
    Sie schluchzte.
    Er schluchzte.
    Ich schluchzte.
    »Wenn Sie mir nicht sagen, wen Sie da verdammt noch mal angefahren haben, wird es nie vorbei sein.«
    »Doch!«
    »Es ist nicht vorbei.«
    »Doch!«
    »Es ist nicht vorbei.«
    »Doch!«
    »Es ist nicht vorbei, Johnny.«
    Er verschluckte sich an seinen Tränen. »Doch.«
    »Spuck’s aus, du Stück Dreck.«
    »Ich kann nicht.«
    Ich sah den Mond am Tag, die Sonne in der Nacht, mich, wie ich sie vögelte, Jeanettes Gesicht auf allen Leibern.
    Ich packte ihn an Hals und Haaren, hielt den Hammer in der verbundenen Hand. »Du hast deine Schwester gevögelt.«
     »Nein.«
    »Du bist Jeanettes Vater, richtig?«
    »Nein!«
    »Du bist der Vater.«
    Blutige Spuckebläschen platzten auf seinen zitternden Lippen.
    Ich beugte mich ganz nah vor sein Gesicht.
    Mrs. Foster hinter mir sagte: »George Marsh.«
    Ich wirbelte herum, streckte die Hand aus und zog sie zu mir heran. »Wie bitte?«
    »George Marsh«, flüsterte sie.
    »Was ist mit ihm?«
    »Auf der Dewsbury Road. Es war George Marsh.«
    »George Marsh?«
    »Einer von Donnys Vorarbeitern.«
    »Unter den hübschen neuen Teppichen, unter dem Gras, das zwischen den Steinen wächst.«
    »Wo ist er?«
    »Ich weiß nicht.«
    Ich ließ die beiden los und stand auf, die Eingangshalle wirkte plötzlich viel größer und heller.
    Ich schloß die Augen.
    Ich hörte, wie der Hammer zu Boden fiel, hörte Kellys Zähne klappern, und dann war wieder alles klein und dunkel.
    Ich ging zum Telefon und nahm das Telefonbuch. Ich blätterte zum M, dann zu Marsh und fand all die G. Marshs. Einer davon wohnte in Netherton, 16 Maple Well Drive. Telefon 3657. Ich schlug das Telefonbuch zu.
    Ich nahm das weiche, geblümte Telefonverzeichnis und schlug unter M nach.
    In Tinte stand dort George 3657.
    Volltreffer.
    Ich schlug das Büchlein zu.
    Johnny Kelly hielt den Kopf in den Händen.
    Mrs. Foster starrte zu mir hoch.
    »Unter den hübschen neuen Häusern, unter dem Gras, das zwischen den Steinen wächst.«
    »Wie lange wußten Sie schon davon?«
    Die Adleraugen waren wieder da. »Überhaupt nicht.«
    »Lügnerin.«
    Mrs. Patricia Foster schluckte. »Was ist mit uns?«
    »Was soll mit Ihnen sein?«
    »Was haben Sie mit uns vor?«
    »Ich bete zu Gott, daß er Ihnen allen vergibt.«
    Ich ging zur Haustür und zu Donald Fosters Leiche.
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Dem allem ein Ende machen.«
    Mit blutigen Fingerabdrücken im Gesicht blickte Johnny Kelly auf. »Es ist zu spät.«
    Ich ließ die Tür offen.
     
    »Unter den hübschen neuen Teppichen, unter dem Gras, das zwischen den Steinen weichst.«
    Ich fuhr mit Fräsers Maxi zurück nach Wakefield und dann Richtung Horbury, der Regen verwandelte sich in Eisregen.
    Ich sang die Weihnachtslieder auf Radio 2 mit, wechselte dann zu Radio 3, um die Zehn-Uhr-Nachrichten nicht hören zu müssen, hörte statt dessen, wie England die ›Ashes‹ im Kricket an Australien verlor, und brüllte meine eigenen Zehn-Uhr-Nachrichten:
    Don Foster tot.
    Zwei verdammte Mörder, vielleicht drei.
    Ich als nächster?
    Ich zählte die Mörder.
    Ich fuhr Richtung Netherton, der Eisregen verwandelte sich plötzlich wieder in Regen.
    Ich zählte die Toten.
    Ich schmeckte Waffenmetall, roch meinen eigenen Kot.
    Hunde bellten, Männer schrieen.
    Paula war tot.
    Es gab ein paar Dinge, die ich tun mußte, die ich zu Ende bringen mußte.
    »Unter den hübschen neuen Teppichen, unter dem Gras, das zwischen den Steinen wächst.«
     
    Ich fragte im Postamt in Netherton nach, eine alte Frau, die nicht dort arbeitete, konnte mir sagen, wo der Maple Well Drive war.
    Hausnummer 16 war ein Bungalow wie alle anderen in der Straße, so ähnlich wie der von Enid Sheard oder der der Goldthorpes. Ein gepflegter kleiner Garten mit einer niedrigen Hecke und einem Vogelfutterplatz.
    Was immer George Marsh getan hatte, hier hatte er es nicht getan.
    Ich öffnete das schwarze Metalltor und ging den Weg entlang. Durch die Netzgardine konnte ich Fernsehbilder flimmern sehen.
    Ich klopfte an die Glastür; von der frischen Luft wurde mir schwindlig.
    Eine pummelige Frau mit grauen dauergewellten Haaren und einem Geschirrtuch in der
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