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1974

1974

Titel: 1974
Autoren: David Peace
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Hand öffnete die Tür.
    »Mrs. Marsh?«
    »Ja?«
    »Mrs. George Marsh?«
    »Ja?«
    Ich knallte ihr die Tür ins Gesicht.
    »Was soll das?« rief sie und fiel auf den Hintern ins Haus zurück.
    Ich trat über die Schaftstiefel und Gartenschuhe hinweg ins Haus. »Wo ist er?«
    Sie hatte das Geschirrtuch über dem Gesicht.
    »Wo ist er?«
    »Ich habe ihn nicht gesehen.« Sie versuchte aufzustehen.
    Ich verpaßte ihr eine saftige Ohrfeige.
    Sie fiel wieder hin.
    »Wo ist er?«
    »Ich habe ihn nicht gesehen.«
    Die verhärmte Schlampe riß die Augen auf und versuchte, sich ein paar Tränen abzupressen.
    Ich erhob wieder die Hand. »Wo?«
    »Was hat er denn gemacht?« Sie hatte eine Platzwunde über dem Auge, und die Unterlippe schwoll bereits an.
    »Das wissen Sie doch selbst.«
    Sie lächelte ein gezwungenes, beschissenes kleines Grinsen.
    »Wo ist er?«
    Sie lag da auf den Schuhen und Regenschirmen, sah mir direkt ins Gesicht, ihr dreckiges Mundwerk halb lächelnd, so als hätten wir vor zu vögeln.
    »Wo?«
    »Im Schuppen, oben bei den Schrebergärten.«
    Da wußte ich, was ich vorfinden würde.
    »Wo?«
    Noch immer grinste sie. Sie wußte, was ich vorfinden würde.
    »Wo?«
    Sie hob das Geschirrtuch. »Ich kann nicht …«
    »Zeigen Sie’s mir!« zischte ich und packte sie am Arm.
    »Nein!«
    Ich stellte sie auf die Füße.
    »Nein!«
    Ich machte die Tür auf.
    »Nein!«
    Ich zerrte sie den Weg entlang, die Kopfhaut unter der grauen Dauerwelle war wundrot.
    »Nein!«
    »Welche Richtung?« fragte ich am Tor.
    »Nein, nein, nein.«
    »Welche Richtung, verdammt?« Ich packte fester zu.
    Sie drehte sich um und schaute zurück, am Haus vorbei.
    Ich schob sie durchs Tor und marschierte mit ihr zur Rückseite des Maple Well Drive.
    Hinter den Häusern lag ein leeres Feld, das sich steil in den schmutzigweißen Himmel erhob. In einer Mauer befand sich ein Tor, dahinter eine Treckerspur; dort, wo Acker und Himmel sich trafen, konnte ich eine Reihe von schwarzen Schuppen erkennen.
    »Nein!«
    Ich zog sie von der Straße und schob sie gegen die trockene Steinmauer.
    »Nein, nein, nein.«
    »Halt die Fresse, du verdammte Schlampe.« Ich packte ihrenMund mit der linken Hand und verwandelte ihr Gesicht in einen Fischkopf.
    Sie zitterte, aber es kamen keine Tränen.
    »Ist er da oben?«
    Sie sah mich unverwandt an und nickte einmal.
    »Wenn nicht, oder wenn er uns kommen hört, bring ich dich um, verstanden?«
    Sie sah mich immer noch an und nickte wieder.
    Ich ließ sie los, hatte Make-up und Lippenstift an den Fingern.
    Sie stand an der Steinmauer und rührte sich nicht.
    Ich packte sie am Arm und schob sie durch das Tor.
    Sie starrte hinüber zu der schwarzen Reihe von Schuppen.
    »Los«, sagte ich und stieß sie weiter.
    Wir folgten der Treckerspur, deren ausgefahrene Rinnen voll mit schwarzem Wasser standen. Es roch nach Gülle.
    Sie stolperte, fiel hin, stand wieder auf.
    Ich sah zurück nach Netherton, das genauso aussah wie Ossett, genauso wie überall.
    Ich sah die Bungalows und Reihenhäuser, die Geschäfte und die Tankstelle.
    Sie stolperte, fiel hin, stand wieder auf.
    Ich sah alles.
    Ich sah einen weißen Lieferwagen diesen Weg hinaufholpern und seine kleine Fracht im Laderaum herumschleudern.
    Ich sah einen weißen Lieferwagen wieder hinunterholpern, die kleine Fracht still und stumm.
    Ich sah Mrs. Marsh an ihrer Küchenspüle den Lieferwagen kommen und davonfahren sehen, das verdammte Geschirrtuch in der Hand.
    Sie stolperte, fiel hin, stand wieder auf.
    Wir waren fast oben auf dem Hügel, fast bei den Schuppen angelangt. Sie sahen aus wie ein Steinzeitdorf aus Lehm.
    »Welcher?«
    Sie wies zum letzten Schuppen, einem Flickwerk aus Planen und Düngesäcken, Wellblech und Ziegelsteinen.
    Ich ging vor, zerrte sie hinter mir her.
    »Die hier?« flüsterte ich und wies auf eine schwarze Holztür mit einem Zementsack anstelle eines Fensters.
    Sie nickte.
    »Aufmachen.«
    Sie zog die Tür auf.
    Ich schob sie hinein.
    Drinnen gab es eine Werkbank mit Werkzeug, aufgestapelte Säcke voller Dünger und Zement, Topfpflanzen und Futtertröge. Leere Plastiktüten bedeckten den Boden.
    Es stank nach Erde.
    »Wo ist er?«
    Mrs. Marsh, die das Geschirrtuch vor Nase und Mund hielt, kicherte.
    Ich wirbelte herum und verpaßte ihr eine.
    Sie kreischte auf und ging in die Knie.
    Ich packte ein paar graue Dauerwellen, schleifte sie zur Werkbank und preßte ihre Wange gegen das Holz.
    »Ah, ha-ha-ha. Ah, ha-ha-ha.«
    Sie lachte und
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