1968 - Ketzer der Tazolen
feuchte Leben gerichtet sein!" fuhren die Frauen fort. Ihre Augen glühten vor Hass. „37 Tage wird sein Leben noch währen, 37 Tage soll er bereuen und klagen! Dann mögen die Götter ihn zu sich nehmen und ihr Urteil über ihn fällen!"
Gor sagte nichts. Ifos konnte nicht erkennen, ob er bei Sinnen war, und es war ihr gleichgültig. Spätestens wenn die Austrocknung begann, würde er schon wieder zu sich kommen. „Akzeptiert ihr dieses Urteil, Männer?" fragte sie die männlichen Tazolen, die immer noch am Boden lagen, allerdings jetzt in einer tiefen Schlammpfütze. Da sie direkt angesprochen wurden, erhoben sie sich nacheinander auf die Knie. „So möge es sein", sagte einer, und viele andere stimmten zu. Für ein solches Verbrechen gab es keine Entschuldigung und keine mildere Strafe. Gerechtigkeit war das höchste Gut, und Isho war eine verehrungswürdige, unantastbare Frau gewesen.
Nachtos Zorn schien tatsächlich befriedigt. Der Regen wurde leichter, Blitz und Donner waren vergangen. Bis zum Mittag klarte es wieder völlig auf, und es hätte ein wunderschöner Tag werden können. Doch diese Tat veränderte das Leben der Tazolen für immer.
Die jüngsten Priesterinnen übernahmen abwechselnd die Wache am Schandpfahl, 37 Tage und Nächte hindurch. Wenn Gor nach Nahrung verlangte, bekam er sie sofort gereicht. Wenn er nicht danach verlangte, wurde er zwangsweise gefüttert, damit er nicht etwa vor Ablauf des Monats an selbstmörderischem Verdursten oder Verhungern starb. Wie Ifos geahnt hatte, kam sein Geist unter der Hitze Hilors rasch wieder zu sich. Anfänglich beklagte er sein Schicksal und beteuerte, unschuldig zu sein. Dann beschimpfte er die jungen Frauen. Anschließend schmeichelte er ihnen, damit sie ihn befreiten. Schließlich zeigte er Reue, gestand alles und weinte bitterlich; die Götter hätten keine gerechtere Strafe für ihn finden können.
Am Schluss schwieg er. Und als die Frist verstrichen war, lebte er immer noch. Ifos ging am achtunddreißigsten Tag persönlich zu dem Verurteilten.
Sie stellte fest, dass er abgehärmt aussah, mindestens zehn Jahre älter, als er war. Durch das unaufhörliche Stehen waren seine Beine versteift, ebenso die festgebundenen Arme. In seinen Augen glomm ein wahnsinniger Funke. Doch er lebte, zweifellos, seine Haut war ein wenig spröde, aber nur oberflächlich. „Was habt ihr die ganze Zeit während der Wache getan?" fuhr sie die verstörten Mädchen an.
Sie beteuerten, ihrer Pflicht gewissenhaft nachgekommen zu sein. „Auch nachts?"
„Natürlich!" kam die schnelle Antwort. „Natürlich habt ihr da geschlafen!" donnerte Ifos. „Vielleicht haben Freunde von Gor ihn heimlich besucht, während ihr süßen Träumen nachhingt! Aus meinen Augen!"
Wie aufgescheuchte Hühner jagten die jungen Frauen davon. In dieser Nacht übernahm Ifos persönlich die Wache. Sie hatte versucht, Gor auszufragen, aber der Mann war nicht mehr ansprechbar. Nicht, weil er verstockt war, sondern weil er tatsächlich an der Schwelle des Wahnsinns stand. Keiner vor ihm hatte jemals eine solche Tortur durchstehen müssen.
Ifos erlebte aber eine Überraschung. Denn Gor erhielt keinen tazolischen Besuch - sondern einen anderen. Aus dem Sumpfland kamen merkwürdige, fast kinderfaustgroße Insekten heran geschwirrt, die sich an Gor interessiert zeigten - und nur an ihm. Ifos näherten sie sich nicht einmal auf drei Schritte. Sie bedeckten seinen nackten Körper, wuselten an ihm auf und ab. Nach einer Weile flogen sie wieder Richtung Sumpfland davon. Ifos stand auf und untersuchte die Haut des Mannes. Sie war glatt und geschmeidig. „Sie haben die abgestorbenen Hautreste entfernt und ihn mit irgend etwas eingeölt, das sie von sich geben", murmelte Ifos erstaunt. In der nächsten Nacht wachte sie ebenfalls. Tatsächlich kamen die seltsamen Insekten wieder; doch diesmal untersuchte Ifos nicht Gors Haut, sondern folgte ihnen, so schnell sie konnte, in die Sümpfe. Am Stamm eines großen Baumes fand sie eine riesige, aus Schlamm hochgezogene, künstlich errichtete Formation: der Bau dieser Insekten. Hunderte oder Tausende gab es dort, und sie griffen Ifos nicht an, sondern umschwirrten sie neugierig. Aber sie trug eine Kleidung, die fast ihren ganzen Körper bedeckte, und ihre Haut war feucht, deshalb verloren sie rasch das Interesse.
Ifos gab den Insekten den Namen Myr. Am vierzigsten Tag verlangten die Männer die Freilassung Gors, denn offensichtlich war es nicht der Wille der
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