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1968 - Ketzer der Tazolen

Titel: 1968 - Ketzer der Tazolen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wenigstens die Rezepturen des verfeinerten Schlammbades kannten. Nach der Erfindung des Elcoxols hatte für die Frauen kein Grund mehr bestanden, dieses frühere Geheimnis noch länger zu wahren.
    Manche dieser Abtrünnigen stahlen vor der Flucht Elxocol-Flaschen aus den Bädern. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass das Elcoxol das Leben zwar verlängerte und den Körper stärkte, aber gleichzeitig zur absoluten Abhängigkeit führte. Jeder, der es regelmäßig nutzte, wurde süchtig; Frauen ebenso wie die Männer. Manche Männer wollten es nicht länger ertragen, von dem guten Willen der Frauen abhängig zu sein. Daher wurden sie zu Dieben, bevor sie nach der Freiheit suchten - sie mussten sich erst langsam von der Sucht befreien, bevor sie in der Wildnis mit den Schlammpackungen Überleben konnten.
    Natürlich trat der gegenteilige Effekt ein. Um von den Freien Männern akzeptiert zu werden, erhielten diese ebenfalls einen Anteil Elcoxol - und wurden süchtig. Einmal in den Genuss dieses Bades gekommen, begriffen diese Nomaden, dass sie in Wirklichkeit keineswegs frei waren und dass es nicht recht sein konnte, ihnen dieses wunderbare Elixier vorzuenthalten. Sie alle wollten nun frei zugängliches Elcoxol. Der Untergang war nicht aufzuhalten. Viele Priesterinnen hatten das ab dem Zeitpunkt erkannt, als Isho erschlagen worden war und Ifos das Geheimnis der Myrden entdeckte.
    Die Männer glaubten sich unterdrückt und erniedrigt und verlangten nach der Freiheit. Über Jahrhunderte hinweg gelang es den Hohepriesterrinnen des Volkes dennoch immer wieder, Unruhen zu verhindern. Sie gestatteten den Männern mehr Rechte, überließen ihnen wichtige Posten. Nur das Priestertum wurde ihnen verweigert - das war weiterhin Frauensache, ebenso wie die Heilkunst. Doch die Männer ließen sich damit nicht auf Dauer abspeisen. Sie behaupteten, dass nicht eine einzelne Göttin, Ramsoh, über alle anderen des Pantheons herrschen konnte. Die Mehrzahl der Götter war männlich und die Mehrzahl der Tazolen ebenfalls. In Wirklichkeit waren also sie dazu ausersehen, über Tazolar zu herrschen, Gesetze zu erlassen und die Macht zu vergrößern.
    Soe ra Lor stand auf dem Balkon ihres Turmes und sah über das Land. „Wie lange noch?" fragte sie Vor ri Nas, die neben ihr stand. „Nicht mehr lange", antwortete die Priesterin. „Herowotts Truppen wurden zwei Tagesreisen entfernt von hier gesichtet. Er wird kommen, Hoheit. Er wird kommen." Soe ra Lor seufzte. „Ich weiß", sagte sie leise. Ihr Blick verlor sich in weiten Fernen. Die Frauen hatten viel vollbracht.
    Der Palast der Hohepriesterin lag eine halbe Tagesreise von den Bergen entfernt, und bis heute hatte noch kein Mann den Zugang zu dem großen Schatz der Frauen gefunden. Dies war eines der letzten Geheimnisse, die ihnen noch geblieben waren. Soe ra Lor war seit vielen Jahrzehnten die mächtigste Frau der Welt. Ihr Reich erstreckte sich von der Küste des Großen Ozeans im Osten bis weit nach Westen hinein, fast über den halben Großkontinent. Seit den letzten hundert Jahren hatte sich das Wissen gewaltig erweitert.
    Man wusste, dass Tazolar eine Kugel war, die um Hilor kreiste. Man wusste, dass es einen zweiten Kontinent gab, und viele Dinge mehr. Doch je mehr das Wissen wuchs, desto mehr Probleme gab es mit den Männern. Im Westen hatte sich inzwischen eine ganz neue, vollständig männlich ausgerichtete Kultur entwickelt. Die Frauen hatten, um Krieg zu vermeiden, Handel mit ihnen getrieben und ihnen das Elcoxol zukommen lassen. „Der Untergang steht kurz bevor", flüsterte Soe ra Lor. Er war nicht mehr aufzuhalten, trotz aller Bemühungen der Frauen.
    Ihre Vorfahren hatten diesen Tag vorhergesehen und mit dem Bau der größten Mauer der Geschichte begonnen, die den Westen vom Osten trennte - siebenfach gestaffelt, hoch und steil. Diese Mauer, in Jahrzehnten entsetzlicher Entbehrungen errichtet, hielt seitdem der Invasion der Wilden Männer, wie sie von den Frauen genannt wurden, stand.
    Doch damals hatte es keinen Herowott gegeben. Herowott, in dem das edle Blut der Hohepriesterrinnen floss, heiß und fordernd. Als Frau verkleidet, hatte er die Priesterschule besucht und es zu hohen Würden gebracht. Er war ungewöhnlich intelligent und wissbegierig. Fast hätte er es bis zum Amt der Stellvertreterin geschafft und wäre damit in den Besitz des Elcoxol-Rezeptes gekommen - doch da war er enttarnt worden. Herowott war die Flucht in den Westen gelungen; als erstem Mann seit dem Bau

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