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1902 - Bei den Setchenen

Titel: 1902 - Bei den Setchenen
Autoren: Unbekannt
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heutzutage schwer zu bekommen; sie verlangten entsprechende Entlohnung und machten sich rar. Sobald sie ein gutes Angebot bekamen, waren sie weg.
    Tebb Celestain öffnete den Schlitz der freiliegenden linken Hörgrube und lauschte. Es schien alles in Ordnung zu sein, die übliche nächtliche Stille umgab sie.
    Trotz ihres Vorstoßes in den Weltraum hatten sich die Gewohnheiten der Setchenen in dieser Hinsicht nicht geändert: Nachts schliefen sie, ohne Ausnahme. Nach Einsetzen der Dunkelheit und der nächtlichen Kälte fühlten sie den unwiderstehlichen Drang, sich in die Sandkuhlen zurückzuziehen. Auch die Temperierung und Helligkeit der Wohnräume hatten dieses archaische Relikt nicht überlisten können. Spätestens eine Stunde nach Einbruch der Nacht fielen alle in Schlaf starre, die bis mindestens zur Tagesdämmerung anhielt.
    Tebb Celestain zwang sich, die Gedanken auszuschalten, und lauschte weiter. Die Pupillen zogen sich unter der Nickhaut zusammen und beobachteten den Raum, während sich die großen runden, etwas seitlich liegenden Augen langsam nach vorne und hinten bewegten. Die Sicht war durch die Nickhaut etwas verschwommen, aber immerhin konnte die Setchene ihre, Umgebung rundum bis nahezu 360 Grad erkennen, ohne den Kopf zu drehen.
    Sie stutzte, als sie einen schwachen Punkt ausmachte, der kurzzeitig den allmählich heller werdenden Fensterschlitz verdunkelte. Gleichzeitig hörte sie das hauchfeine Sirren schuppenbefiederter Insektenflügel. Ohne die nächtliche Stille in diesem Raum und ihre absolute Konzentration wäre der zarte Laut unmöglich auszumachen gewesen.
    Ein Drezyps, dachte Tebb Celestain erschauernd.
    Der Drezyps sah aus wie eine handtellergroße braune Fliege, war jedoch ein gefürchteter und sehr erfolgreicher nächtlicher Jäger, der sogar Jungvogel und Mäusenester überfiel. Sein Giftstachel war auch für ausgewachsene Setchenen gefährlich. Normalerweise konnte er Setchenen in kalter Schlafstarre nicht ausmachen, aber kurz vor der Dämmerung, wenn Herz und Kreislauf allmählich wieder in Schwung kamen und eine langsame Erwärmung einsetzte, war der richtige Moment für einen Angriff gekommen.
    Tebb Celestain öffnete nun auch die Nickhaut; das schwache Licht reichte ihr aus, um die Umgebung deutlich erkennen zu können.
    Der Drezyps flog fast lautlos durch den Raum, er schien seine Beute noch nicht entdeckt zu haben. Das war natürlich nur eine Frage der Zeit, und die wollte sie nutzen. Ihr rechter Schulterarm, der halb im Sand vergraben war, bewegte sich ganz langsam zum Rand der Kuhle. In der Nähe ihres Kopfes befand sich die manuelle Schaltung, dennoch außer Reichweite des nur zwanzig Zentimeter langen Brust-Armpaares mit den sensiblen, sechsfingrigen Händen. Die dreifingrige starke Hand des Schulterarms, die normalerweise eher fürs Grobe gedacht war, glitt suchend über die Tastatur und fand den Regler für die Temperatur. Gleich darauf spürte die Unternehmerin, wie sich von ihrem Kinn, dem Bauch bis zu ihren lang ausgestreckten, kraftvollen Beinen hinab wohlige Wärme ausbreitete.
    Sie würde den Drezyps dadurch zwar um so schneller anlocken, aber ihr blieb keine andere Wahl, wenn sie sich ihm nicht hilflos darbieten wollte.
    Die Wärme durchströmte ihre ledrige, blaue Haut bis in die letzte Falte, und sie merkte, wie die Starre rasch von ihr abfiel.
    In diesem Moment hatte der nächtliche Räuber sie mit seinen auf Wärme ausgerichteten Sinnen erfaßt und griff sofort an.
    Tebb Celestain erkannte gerade noch mit dem linken Auge die tödliche, mit hoher Geschwindigkeit, geradezu wie ein Geschoß heranrasende Fliege. Sie warf sich über den Rand ihrer Sandkuhle auf den Boden, erschauerte kurz vor der Kälte des glatten Materials. Der Drezyps sauste über sie hinweg, bremste gerade noch vor der Wand ab, schlug einen eleganten Bogen, orientierte sich neu und griff wiederum an.
    Tebb sprang auf ihre starken Beine, die mehr als die Hälfte ihrer gesamten Körperlänge ausmachten, und wich dem Drezyps ein zweites Mal aus. Jetzt war sie vollends wach, ihre Körpertemperatur hatte das normale Wachstadium erreicht, und sie konnte sich wehren.
    Die Setchene griff nach ihrem Schultertuch und warf es geschickt über das Insekt, das sich mit wütendem Brummen darin verhedderte und zu Boden stürzte. Tebb packte rasch, aber mit gebotener Umsicht das Tuch, bevor der Drezyps sich wieder befreien konnte.
    Sein langer, schwarzer Saugstachel bohrte sich mehrmals durch das feine Gewebe,
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