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19 Minuten

19 Minuten

Titel: 19 Minuten
Autoren: Jodi Picoult
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danach
    Alex drängte sich durch die Menschen im Zuschauerraum, die gleich nach Josies Geständnis verstört aufgesprungen waren. Irgendwo in diesem Gewühl waren die Roystons, die gerade gehört hatten, dass ihr Sohn von ihrer Tochter niedergeschossen worden war, aber darüber konnte sie jetzt nicht nachdenken. Sie konnte nur Josie sehen, die dort im Zeugenstand gefangen war, während Alex versuchte, zu ihr zu gelangen. Sie war schließlich Richterin, verdammt, man musste sie doch zu ihrer Tochter lassen, aber zwei Gerichtsdiener hielten sie entschlossen zurück.
    Wagner schlug mit seinem Hammer auf die Richterbank, obwohl kein Mensch auf ihn achtete. »Die Sitzung wird für fünfzehn Minuten unterbrochen«, befahl er, und während ein anderer Gerichtsdiener Peter durch eine Hintertür hinausschob, wandte sich der Richter an Josie. »Junge Dame«, sagte er, »Sie stehen noch immer unter Eid.«
    Alex sah, wie Josie durch eine andere Tür hinausgeführt wurde, und rief ihren Namen. Gleich darauf war Eleanor bei ihr und nahm ihren Arm. »Euer Ehren, kommen Sie mit. Im Augenblick sind Sie hier nicht sicher.«
    Alex tat etwas, das sie kaum je im Leben getan hatte: Sie ließ zu, dass jemand anders die Führung übernahm.
    Patrick kam genau in dem Augenblick in den Gerichtssaal, als die Hölle losbrach. Er sah Josie im Zeugenstand verzweifelt schluchzen; er sah Richter Wagner, der vergeblich Ruhe einforderte -aber vor allem sah er Alex, die vergeblich versuchte, zu ihrer Tochter zu gelangen.
    Als er sich durch den Mittelgang bis ganz nach vorn gekämpft hatte, war Alex weg. Er sah gerade noch, wie sie in einem Zimmer hinter der Richterbank verschwand, und als er über das Geländer hechtete, um ihr zu folgen, hielt ihn jemand am Ärmel fest. Verärgert drehte er sich um und sah Diana Leven vor sich stehen.
    »Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er.
    »Sie zuerst.«
    Er seufzte. »Ich war letzte Nacht in der Schule, um Josies Aussage zu überprüfen, weil mir da einiges nicht einleuchten wollte. Wenn Matt auf Peter geschossen hätte, dann hätte man hinter Peter in der Wand Einschussspuren finden müssen. Ich dachte mir, dass das wieder eine Lüge von Josie war: dass in Wirklichkeit Peter auf Matt geschossen hatte, ohne von ihm bedroht zu werden. Nachdem ich die Stelle gefunden hatte, wo die erste Kugel aufgeschlagen war, hab ich mit einem Laserpointer getestet, wohin sie abgeprallt sein könnte. Und dann wurde mir klar, warum wir sie bei der ersten Spurensuche nicht gefunden hatten.« Er zog einen Beweismittelbeutel mit einem Projektil aus der Tasche. »Sie steckte in dem Ahornbaum draußen vor dem Fenster des Duschraums. Ich bin damit direkt zum Labor und hab die Techniker dazu bewegen können, das Projektil noch in meinem Beisein zu untersuchen. Es stammt aus Pistole B, und damit nicht genug. Sie haben Blut und Gewebespuren von Matt Royston daran gefunden. Aber die Sache ist die, wenn man vom Baum aus mit dem Laser auf die Fliese zielt, von der die Kugel abprallte, dann kann sie unmöglich von der Stelle aus abgefeuert worden sein, an der Peter stand. Es war-«
    Die Staatsanwältin seufzte müde. »Josie hat gerade gestanden, auf Matt Royston geschossen zu haben.«
    »Nun«, sagte Patrick und gab Diana den Beweismittelbeutel, »endlich sagt sie die Wahrheit.«
    Jordan lehnte sich gegen die Gitterstäbe der Zelle. »Hast du vergessen, mir das zu erzählen?«
    »Nein«, sagte Peter.
    Jordan fixierte ihn. »Weißt du was? Wenn du von Anfang an damit rausgerückt wärst, dann wäre der Prozess vielleicht ganz anders ausgegangen.«
    Peter lag auf der Bank in der Zelle, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Schockiert sah Jordan, dass er lächelte. »Sie war wieder meine Freundin«, erklärte Peter. »Wenn man Freunden etwas verspricht, dann hält man es auch.«
    Alex saß in dem dunklen Besprechungszimmer, in das meistens die Angeklagten bei kurzen Sitzungsunterbrechungen geführt wurden, und plötzlich wurde ihr klar, dass diese Bezeichnung nun auch auf ihre Tochter zutraf. Es würde einen weiteren Pro-zess geben, gegen Josie.
    »Warum?«, fragte sie.
    Sie konnte den silbrigen Rand von Josies Profil ausmachen. »Weil du gesagt hast, ich soll die Wahrheit sagen.«
    »Was ist die Wahrheit?«
    »Ich habe Matt geliebt. Und ich hab ihn gehasst. Ich habe mich selbst dafür gehasst, dass ich ihn geliebt habe, aber wenn ich nicht mit ihm zusammen war, war ich niemand mehr.« Josie schwieg einen Augenblick. »Du kannst schreien
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