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183 - Die Stadt Gottes

183 - Die Stadt Gottes

Titel: 183 - Die Stadt Gottes
Autoren: Jo Zybell
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zuckte mit den Schultern und schloss die Tür. Die acht Rev’rends am runden Tisch des Saales sahen ihm erwartungsvoll entgegen. Er schaukelte zu einem freien Platz neben dem Erzbischof und ließ sich darauf nieder. Der Sessel knarrte unter seinem Gewicht. »Er fiebert. Der Blutverlust hat ihn arg geschwächt. Ich habe die Kugel herausgeschnitten und die Wunde vernäht. Wenn er den morgigen Sonnenaufgang noch erlebt, hat er es geschafft.«
    »Der HERR wird ihn retten!«, rief Rev’rend Blood.
    »Rev’rend Torture ist so ein treuer Diener des HERRN, so ein tatkräftiger Arbeiter in SEINEM Weinberg – der HERR wird ihn retten! Und möge der HERR den Elenden zerschmettern, der ihm das Leben rauben wollte!«
    »Der Schütze heißt Black, erzählen die Bußwächter«, sagte der übergewichtige Rev’rend mit dem Rauschebart und den langen Drahtlocken. »Früher soll er die Regierung von Arthur Crow bekämpft haben, jetzt kämpft er mit den Bunkerleuten gegen unsere Regierung.«
    »Danke, Rev’rend Rock.« Blood nickte dem Dicken zu.
    »Wir haben zwei wichtige Dinge zu besprechen und zu beschließen, bevor die Sonne aufgeht. Zunächst der Lagebericht.« Er wandte sich an den dunkelhäutigen Gottesmann mit dem Zylinder. »Bitte, Rev’rend Sweat.«
    Sweat berichtete über die Rückschläge der vergangenen Nacht. Sie waren schmerzhaft. Er schloss mit einer guten Nachricht: »Wenigstens ist es uns gelungen, die Präsidentin der Bunkermenschen gefangen zu nehmen. Sie wird uns als Geisel noch wertvolle Dienste leisten.«
    Rev’rend Blood bedankte sich. Man beschloss, die Präsidentin zu verhören, um die Lage der Zugänge zum Bunkersystem unter der Stadt zu erfahren. Sollte sie die in zwei Tagen noch immer nicht preisgeben, wollte man die Information durch Folter von ihr erpressen.
    Immerhin ging es um die Sache des HERRN und um die Freiheit SEINER Stadt. Danach sollten vier Rev’rends eine Armee aus Bußwächtern zum Angriff auf die Unbußfertigen unter der Erdoberfläche führen. Die restlichen Gefangenen sollten bei Sonnenaufgang auf einem Scheiterhaufen vor dem Hauptquartier verbrannt werden, um allen Unbußfertigen in Waashton auf möglichst drastische Weise vor Augen zu führen, was ihnen drohte, wenn sie nicht Buße taten.
    »Und jetzt hat Rev’rend Rage noch ein Anliegen.«
    Blood lächelte milde. »Bitte, Rev’rend Rage. Nun kannst du die Sache vorbringen, die angeblich so wichtig ist, dass du vor dieser Sitzung nicht einmal mir gegenüber ein Sterbenswörtchen davon offenbaren wolltest.«
    »Weil sie dich betrifft, Gnatius Yola!« Rev’rend Rage ließ seinen Bass rollen, und Rev’rend Blood zuckte zusammen, denn es war unüblich, während einer Mission einander mit den Geburtsnamen anzusprechen.
    »Du verweigerst mir die Ehre meines Kampfnamens?!« Das milde Lächeln fiel dem Erzbischof aus dem Gesicht.
    »Nicht nur diese Ehre, Gnatius Yola!« Rev’rend Rage stand auf. »Hört mich an, meine Brüder!« Jeden einzelnen fasste er ins Auge. »Die Niederlagen dieser Nacht, der Verlust von nunmehr drei Brüdern, die Verletzung von Rev’rend Torture und all die Unruhen und Zweifel unter den Menschen der Stadt Gottes – sollten wir nicht endlich auf die Warnschüsse des HERRN achten? Sollten wir nicht endlich begreifen, dass die Sünde in unseren eigenen Reihen den Zorn des HERRN erregt? Ja, der HERR selbst straft uns…«
    Seine donnernde Rede zog die Rev’rends in ihren Bann. Alle hörten regungslos zu, alle außer Rev’rend Blood – der rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her. Erst, als sich Rages ausgestreckter Arm auf ihn richtete, erstarrte er. »Dieser da hat den Zorn des HERRN auf uns gezogen!«, rief Rev’rend Rage. Die anderen erbleichten. »Mit scharfem Getränk hat er die Leichtfertigen bestochen, und einer Verstockten näherte er sich in unzüchtiger Absicht…!«
    Zunächst begehrte Rev’rend Blood auf, mimte den Empörten und wurde rot vor Zorn. Doch nach und nach sank er immer tiefer in seinen Sessel und verstummte schließlich vollständig unter der Strafpredigt seines Stellvertreters. »Ich beantrage die Entfernung dieses Heuchlers aus seinem Amt! Und ich beantrage die Strafe für ihn, die er selbst unzählige Male gegen die Verstocktesten der Verstockten verhängt hat: den Feuertod!«
    Rev’rend Blood schrie entsetzt auf. Hilfe suchend sah er in die Runde – und blickte in lauter versteinerte Gesichter.
    Rages Antrag wurde einstimmig angenommen. In einem Routineakt berief man ihn
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