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1822 - Die neue Haut

Titel: 1822 - Die neue Haut
Autoren: Unbekannt
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völlig hörig. Dennoch hatte Thea zu ihm einigermaßen Zutrauen gefaßt.
    Drenderbaum war ihre einzige Hoffnung. Denn während Kummerog sich aufführte wie ein Menschenfresser, war Drenderbaum der ruhende Pol, besonnen und stets zu einem Dialog bereit. Mit ihm konnte man alles besprechen. Und er hatte Kummerog nicht erst einmal davon abgehalten, sich an ihr oder ihrem Vater zu vergreifen.
    Drenderbaum empfing sie mit den Worten: „Dicke Luft! Kummerog wird ungeduldig, weil er argwöhnt, daß du Zeit schindest. Das ist doch nicht der Fall, Thea?"
    „Ich tue doch nur, was ich kann", log Thea.
    Sie versuchte tatsächlich Zeit zu gewinnen, um Kummerog hinzuhalten und sich einen Ausweg zu überlegen. Bisher war ihr das jedoch noch nicht gelungen. Sie konnte nur hoffen, daß sie Kummerogs Geduld nicht über Gebühr strapaziert hatte.
    Kummerog verlangte von ihr, ihm Unterlagen über das Sicherheitssystem von Camelot und des gesamten CeresSystems, über den Raumschiff-Fuhrpark, die Organisation und die wissenschaftliche Forschung zu beschaffen -und vor allem alles über die GILGAMESCH und die Zellaktivatorträger. Thea hatte sich damit herausgeredet, daß sie diese Unterlagen nur in jeweils kleinen Mengen und sporadisch beschaffen konnte, wollte sie nicht Verdacht erregen.
    Kummerog maßte das akzeptieren. Aber offenbar ging es ihm doch zu langsam.
    Drenderbaum bedeutete Thea mit einer Handbewegung, ins Wohnzimmer zu gehen. Dort lümmelte Kummerog träge und mit ausgestreckten Beinen auf dem Sofa, vernehmlich an einer Pastiktüte mit Nahrungskonzentrat schlürfend, während seine weißen, wässerigen Augen auf die eingeschaltete Videowand gerichtet waren. Es lief gerade ein Bericht über die fremden Invasoren, die Tolkander, die in die Milchstraße eingefallen waren.
    Die Bilder zeigten endlose Pulks von Igelschiffen, und der Sprecher erklärte dazu, daß sich bereits 100.000 von ihnen beim Sternhaufen 47 Tucani versammelt hätten.
    Kummerog wirkte lethargisch und kränklich; seine schwarze Haut hatte sich an mehreren Stellen blasenartig verdickt und bildete semitransparente Beulen. Vor ihm standen drei leere Konservendosen. Er warf die leergesogene Plastiktüte achtlos hinter sich und fragte: „Wie lange sind wir schon deine Gäste, Katze?"
    Er nannte Thea immer dann „Katze", wenn er sie demütigen wollte.
    „Zehn ... nein, elf Tage ..."
    „Und was hast du in dieser Zeit für uns geleistet?"
    Kummerog schnellte plötzlich hoch und erreichte Thea mit einem einzigen weiten Satz. Dieser Kraftakt kam so unverhofft, daß sie unwillkürlich zurückzuckte und sich gegen die Wand in ihrem Rücken preßte.
    Kummerog legte ihr die großen, vierfingrigen Hände mit den zwei Daumen auf die Schulter und drückte sie kraftvoll nieder, bis sie in die Knie gehen und zu ihm aufblicken maßte. Der transparente Belag seiner Hände fühlte sich wie Gallert an, und Thea verspürte ein unangenehmes Kribbeln.
    Der Fremde aus dem Volk der Cantrell beugte sein Gesicht so nahe zu ihr herab, daß sie die drei Nasenlöcher als riesige, verschwommene Höhlen sah und meinte, im Weiß seiner Augen versinken zu müssen.
    „Du treibst ein gefährliches Spiel, Katze", knurrte Kummerog so nahe ihrem Gesicht, daß sie meinte, an seinem fauligen Atem ersticken zu müssen. „Ich habe während dieser Zeit aus der Videowand mehr und interessantere Informationen erhalten als von dir. Das geht so nicht mehr. Ich hätte gute Lust, dich zu töten. Auf der Stelle!"
    Er bleckte den lippenlosen Mund und entblößte seine einzeln stehenden Fangzähne. Sein Gesicht näherte sich dem von Thea noch mehr, bis er es berührte. Und er begann mit seinen schrecklichen Zähnen verspielt an ihrem Gesicht zu knabbern.
    „Wie schmeckt das Fleisch einer jungen Terranerin?" murmelte er versonnen.
    Thea verspürte den - Druck seiner Zähne auf ihrem Gesicht zu ihrem Hals hinunter wandern und noch tiefer. Sie konnte nicht atmen und spürte fast schmerzhaft, wie eine Gänsehaut ihre Brüste überzog. In diesem Moment schloß sie mit dem Leben ab. Sie war vor Angst und Ekel zu keiner Reaktion fähig, konnte nichts zu ihrer Verteidigung sagen.
    „Das würde ich gerne wissen, Katze", raunte Kummerog. „Aber da ist Bruno davor. Er mag keine lästigen Leichen als Spuren hinterlassen. Bruno meint, daß auch fehlende Leichen verräterisch seien. Ich dagegen würde es darauf ankommen lassen ..." Er zuckte zurück und stieß Thea zu Boden. Mit drohend erhobener Stimme fuhr er fort:
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