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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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ihr Lieben, fragt nicht, wer hier den tiefsten Kelch der Schmerzen leert! Der Jammer ist ein Meer geworden; die Flut steigt über jedes Herz hinan!« – »Bergetief!« warf Bernhard rauh und düster hin; »es kommt auf etliche Turmhöhen nicht mehr an.« Es schüttelte ihn wie ein Fieberfrost. Die Entdeckung, daß Marie ihr Herz einem andern geweiht habe, war wie ein Fels auf seine Brust gefallen und hatte sie zerschmettert. »Er ist der Edelste, der Würdigste,« dachte er und ging heftig auf und ab; »doch das kann mich nicht trösten, es vernichtet mich nur desto sicherer, denn um so ferner verdrängt er mein Bild aus ihrer Seele! Und diese Liebe war der Leitstern, dem ich folgte durch die finstere Wüste unserer Wanderung! Sein mildes Licht allein gab mir Trost – ich erreiche das Ziel, und er versinkt, und es ist finsterer als zuvor!«
    In sich versunken, die starren Blicke auf den Boden geheftet, stand er betäubt und sah nicht, was um ihn her vorging. Da legte sich ein Arm sanft um seinen Nacken, und er fühlte eine Wange an der seinigen – es war Bianka. »Schwester!« rief er mit erstickter Stimme; »Schwester! Ja, du bist mir geblieben!« Marie mochte dunkel ahnen, was in seiner Seele vorging; vielleicht regten sich auch in ihr neue verborgene Stimmen eines Gefühls, das sie an einem erschöpft zu haben wähnte. Sanft, ja fast demütig, als habe sie ein schweres Unrecht zu vergüten, trat sie daher zu Bernhard und sprach als Erwiderung auf seinen schmerzlichen Ausruf: »Auch wir, so hoffe ich, bleiben innig verbunden; der Bruder wird nicht ganz vergessen, daß er einen Freund und eine Freundin besitzt, die ihm mehr als ihr Leben dankt!«
    Bernhard blickte sie erstaunt an. Sie hob zuerst die reine Hand gegen ihn und reichte sie ihm unbefangen dar: »O, ich weiß, was Ludwigs Schwester seinem Freunde schuldet! Ich denke, ich habe nun zwei Brüder, und – wir sind Schwestern!!« Mit diesen letzten Worten wandte sie sich zu Bianka, die ihr die liebevollen Arme öffnete. Bernhard wollte antworten, doch zum erstenmal fehlte ihm die Sprache, so war sein Herz im Innersten erschüttert und wehmutsvoll gebrochen. Sollte diese offene, herzlich gebotene Freundschaft und Verschwisterung seine Hoffnung beginnen oder enden? Er wußte es nicht, ja er wußte kaum, was er wünschen dürfe; denn edel, wie er war, hätte ihn der Gedanke schon belastet, daß sein Glück nur aus fremdem Schmerze erblühen könne. Rasinskis hohes trauerndes Bild stand vor ihm, und sein großmütiges Herz empfand das Geschick des Freundes wie sein eigenes.
    Die Gräfin trat aus dem Hintergrunde des Gemachs, wo sie am Lager des Toten nur um Lodoiska beschäftigt gewesen war, hervor. Ihr Gang war langsam; man sah es, die hohe Gestalt trug sich nur mit Mühe aufrecht. »Mein Bruder ist hinaus,« begann sie, weniger fragend als sich die Halbfrage selbst beantwortend; »er hätte sich doch Zeit zum Abschiede lassen sollen. Wer weiß, ob wir uns wiedersehen; denn zu hoffen habe ich verlernt!« Sie stand bleich, aber königlich emporgerichtet, als weigere sie sich stolz der Schmach, ihren Nacken unter der Last des Geschicks zu beugen; doch perlte eine Träne in ihren Wimpern und bedeckte das große, dunkle Auge mit feuchtem Schimmer. Marie und Bianka traten teilnehmend zu ihr; sie reichte ihnen die Hände und zog sie mild bewegt näher. »O meine Töchter! ihr seid jung; das Leben faßte euch frühe mit rauher Hand an – aber es zerschmetterte euch doch nicht so furchtbar wie diese Arme.« Hier deutete sie auf Lodoiska, die, einem Marmorbilde gleich, stumm an Jaromirs Lager saß und seine kalte Hand nicht ließ. »Welch ein Geschick! Hier ein erstarrender Schmerz, den keine Träne erweichend schmilzt, und ringsum Verwüstung, Tod, Grauen, Entsetzen! Hört ihr, wie der mordbegierige Donner rollt? O, er wird auch das edelste Haupt treffen, das so männlich dem Sturme getrotzt! Vielleicht können wir aus diesen Fenstern die schaudernden Zeugen sein, wenn ihn das zermalmende Erz niederschmettert!«
    »O nimmermehr!« unterbrach Marie sie weinend.
    »Du weinst? Armes Kind! So wähnest du den Grimm des Schicksals zu versöhnen? Erz wäre geschmolzen in meinen glühenden Tränen, doch die waltenden Mächte droben blieben unerweicht. Nein, nein! Wähne nicht, daß der Himmel das Flehen aus zerrissener Brust vernimmt! Er ist taub, undurchdringlich seine eherne Wölbung, Flüche und Gebete verhallen gleich unerhört im öden Weltraum! Und meint ihr, wir

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