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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ludwig Rellstab
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zitterten. Der Kampf tobte heftig; der ergrimmte Tod hielt seine Sense über die Streiter geschwungen; die Wetterwolke des Verderbens schwebte dicht über dem Scheitel des Teuersten. Sie wollten sich wegwenden von dem Anblick, doch sie vermochten es nicht; starr gefesselt hing das Auge an dem Geliebten, als könne es ihn schirmend bewachen.
    Wie der Schlachtengott sprengte Rasinski im Pulverdampf daher, die pelzverbrämte polnische Mütze stolz auf dem Haupt, den Säbel geschwungen. »Vorwärts, Kameraden, wir müssen uns Bahn brechen«, tönte seine mächtig gebietende Stimme, und selbst den Frauen durchbebte sie mutig das Herz. Die Scharen rückten geschlossen an, Rasinski auf scheu bäumendem Roß vor ihnen her. Die Kosaken waren besiegt und irrten verwirrt durcheinander; sie hätten sich schleunig zur Flucht gewandt, wenn das Tor nicht durch die nach ihnen eindringenden Reiter gesperrt gewesen wäre. Der Marschall Ney hielt weiter zurück in der Straße und ordnete nachrückende Massen. Rasinski sah sich scharf aufmerkend nach ihm um. Jetzt zog der Feldherr den Hut und schwenkte ihn mit dem Federbusch hoch über dem Haupte. Dies schien das verabredete Zeichen.
    Von den vordersten Reihen der Masse umgeben ritt Rasinski vorwärts; die Reiter rückten geschlossen an. »Feuer!« erscholl jetzt sein Ruf, und die Salve krachte. Die Fenster erbebten, die Frauen taten einen lauten Schrei; die Straße lag in Wolkennacht des Pulverdampfes dicht eingehüllt, wildes Kampfgeschrei der Krieger brauste aus der schwarzen Tiefe herauf. Ein Windstoß zerriß das Gewölk. Da sprengte Rasinski durch den hellen offenen Raum. Sein kräftiger Säbelhieb stürzte einen Kosaken vom Pferde, einen zweiten streckte er mit der Pistole nieder. Über ihre Leichen hinweg setzte sein mutiges Roß mit verwegenem Sprunge. »Vorwärts, Kameraden,« rief er halb zurückgewandt, »die Bahn ist offen, brecht hindurch! Sie fliehen! Sieg! Sieg!«
    Einen Blick warf er zu den Freunden und den bebenden Frauen am Fenster empor, und winkte grüßend mit leuchtenden Augen hinauf. Dann stürzte er in das Gedränge der fliehenden Feinde, die Seinigen folgten ihm mit Jubelgeschrei, und nach wenigen Augenblicken war er im Pulverdampf und brausenden Getümmel verschwunden.

Sechzehntes Buch.
Erstes Kapitel.
    Zwei Monden waren verflossen. Der furchtbare Sturm, der so viele Lebensgeschicke in ihren tiefsten Tiefen erschüttert hatte, war endlich vorüber. Also auch dieses Maß des Duldens und der Drangsale konnte erschöpft werden! Die finstern Gewölke verzogen sich, der Himmel lächelte milder, das Herz vermochte wieder an eine gnadenreiche Vorsehung zu glauben.
    Ludwig und Bernhard hatten mit Bianka und Marie Königsberg erreicht und dort endlich einen sichern Aufenthalt, den die Schrecken des Krieges nicht störten, gefunden. Diese Zeit hatte ihren erschöpften Körper gestärkt und begann auch die blutenden Wunden der Seele zu heilen.
    Die Gräfin war, durch Biankas Vermittlung unter sichern Schutz gestellt, mit Lodoiska nach Warschau gegangen. Der Schmerz um das Geschick dieser Unglückseligen, die Sorge und Teilnahme für Rasinski, der sich unermüdlich weitertreiben ließ auf den Wellen des Krieges, waren die einzigen Schatten der Trauer, welche in das stille, glückliche Leben der Geschwister fielen, die das Schicksal auf so wunderbaren Wegen geführt und behütet hatte.
    Welch eine Zeit der süßesten Mitteilungen, wenngleich mit den wehmütigsten Erinnerungen gemischt, lebten Ludwig und Marie jetzt miteinander! In den ersten Stunden ihres Wiedersehens wurden sie von den Stürmen gewaltiger Ereignisse so umbraust, daß das Herz keine Muße fand, sich dem sanften Glück der Betrachtung zu weihen. Jetzt in den langen Winterabenden, wo ein trauliches Gemach vier treue, schöne Seelen vereinte, wurden alle Sorgen und Qualen ihnen süß belohnt. Ihr Gespräch weilte gern bei der Vergangenheit, denn schon warf die aufsteigende Sonne der Zukunft rosige Strahlen auf die fliehenden Tage zurück; ja selbst bei dem Grabe der Mutter weilten die Gedanken der Geschwister gern, wenngleich eine heilige Wehmut sie bei der Erinnerung an dieses sanfte Herz, diese milde Hand, welche die Tage ihrer Jugend so treu geleitet hatte, durchdrang.
    Mit gerührter Freude sah Ludwig die Freundschaft zwischen Bianka und Marie blühen und wachsen; mit noch tieferm Gefühl des Dankes gewahrte er, daß Mariens schwesterliche Teilnahme für Bernhard mit jedem Tage, wo sein edles großes
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