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1803 - Der Riese Schimbaa

Titel: 1803 - Der Riese Schimbaa
Autoren: Unbekannt
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Leben, nämlich die Gewißheit, eines Tages dabeisein zu können, wenn der Riese Schimbaa von fünftausend Herreach im gemeinsamen Gebet erschaffen wird und das Tor zum Tempel aufstößt.
    Es ist schwer, mit der Gewißheit zu leben, daß sich der eigene Traum nie erfüllen wird. Wozu existiere ich eigentlich noch?
    Ich versetze mich in Trance, versuche, meinen Visionen ein neues Ziel zu geben. In der Abgeschiedenheit der weiten Ebenen bete ich oft tagelang und vernachlässige meinen Körper. Die Haut spannt sich faltig über meine Knochen, sie blutet, wenn ich mich bewege, und ein unergründlicher Schmerz raubt mir oft die Besinnung. Aber nur wenn ich bete, finde ich die Ruhe, nach der ich mich sehne.
    Ich flüstere die Worte, die von Generation zu Generation überliefert wurden. Ein Hauch von meinen Lippen. Dann wieder schreie ich, brülle meine Sehnsucht und meinen Zorn hinaus in die Einsamkeit.
    Schatten kreisen mich ein - ich weiß, sie sind Gestalten, die ich selbst gerufen habe und sie werden mich vernichten, wenn ich nicht lerne, sie zu beherrschen. Selbst in den Trainingscamps des Cleros erscheinen manchmal diese Schatten und töten betende Jünger. Die Geschichte ist voll von Unfällen, deshalb wurden die großen Trainingscamps außerhalb der Städte errichtet.
    Zweitausend Schlafperioden Einsamkeit. Doch ich spüre, daß mir der selbstauferlegte Zwang geholfen hat, zu mir zu finden. Eines Tages werde ich mich über den Bann des Cleros hinwegsetzen und beweisen, welche Kraft in mir steckt.
    Ich gehe zurück nach Moond, weil ich gehört habe, daß dort Männer und Frauen leben, die dem Cleros nicht mehr vertrauen, die von verkrusteten Machtstrukturen sprechen und davon, daß Mahner und Priester in die eigenen Taschen wirtschaften. Daran ist etwas Wahres. Das Volk ernährt die Priester, warum also sollten sie etwas an den bestehenden Zuständen verändern wollen?
    Ich sehe den Tempel nur von fern, trotzdem spüre ich einen schier unwiderstehlichen Zwang, mich zum Gebet auf dem Tempelplatz einzufinden. Aber sobald ich das tue, wird der Cleros mich töten.
    Endlich lerne ich die ersten Freiatmer kennen. Vielleicht bin ich von ihnen enttäuscht, vielleicht auch nicht, ich vermag es nicht zu sagen. Sie rebellieren gegen die herrschende Ordnung, doch sie haben kein Ziel: Ihre Gemeinsamkeit erschöpft sich in Phrasen, und ich spüre auf Anhieb, daß sie so nicht weiterkommen werden. Was bei ihnen passiert und was nicht, das weiß man vorher niemals so genau.
    Männer und Frauen aus allen Schichten der Bevölkerung finden sich bei den Freiatmern zusammen.
    Einige haben Grund, den Cleros zu hassen, so wie ich, andere wissen selbst nicht, warum sie das tun. Mag sein, daß sie nur einen anderen Weg suchen, weil sie spüren, daß sie wie bisher nicht weiterkommen.
    Die Freiatmer kennen keinen Zwang zur Ordnung und keine Regeln, zumindest nur die eine, daß sie alle alten Werte grundsätzlich in Frage stellen, daß sie notfalls keinen Stein auf dem anderen lassen wollen, wenn es gilt, Kummerog endlich aus dem Tempel zu rufen. Offiziell existieren sie nicht, werden totgeschwiegen und gejagt.
    Ich schließe mich ihnen an. Weil sie im Gebet stärker sind als der Cleros. Manchmal erschaffen sie mit weniger als hundert Betenden riesenhafte Gestalten, und ich lenke sie. Die Schatten, die sich in unseren Gebeten bilden, sind längst nicht so deutlich und gut kontrolliert wie der Zwerg Palomin oder der vielgestaltige Brodik oder die mehrachsige Gretra, aber sie sind stärker: Ihre Schritte lassen den Boden erbeben, und mitunter zermalmen sie sogar große Steine zwischen den Fingern.
    Ich kann mir vorstellen, daß unser Riese Schimbaa die Kraft besitzen wird, die Tore des Tempels aufzustoßen. Deshalb bleibe ich bei den Freiatmern und versuche, sie enger zusammenzuschließen, ihnen wirklich ein gemeinsames Ziel zu geben. Einige hundert Schlafperioden vergehen, dann machen sie mich zu ihrem Oberhaupt.
    Ich werde den Riesen Schimbaa erschaffen helfen, der Kummerog befreit. Zuweilen sind unsere Gestalten ihm schon sehr ähnlich. Immer deutlicher spüre ich die Macht in mir, Schimbaa tanzen zu lassen.
    Aber ich werde nie die Gelegenheit haben, dies am Tempel zu tun. Wir beten im Verborgenen, müssen uns verbergen wie Würmer in der Erde, deshalb suche ich mehrmals das Gespräch mit Presto Go, der obersten Künderin des Kummerog.
    Ihre Priesterschaft ist straff organisiert und zählt nach Zehntausenden. Meine Freiatmer sind verglichen
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